Gesammelte Werke 1
das früher in der Kaserne gehangen hatte: Ein schwarzer Supergardist, ebenfalls mit sehr kleinem Kopf und gewaltigen Muskeln, schnitt einer abscheulichen orangefarbenen Schlange, die aus dem Meer tauchte, mit einer riesengroßen Schere den Kopf ab. Auf der einen Klinge stand »Kämpfende Garde«, auf der anderen »Unsere ruhmreiche Armee«. Soso, sagte Gai zu sich, während er einen letzten Blick auf das Plakat warf. Das werden wir noch sehen. Wir werden sehen, wer wem Zunder gibt, Massaraksch!
Er wandte sich von dem Plakat ab, drehte sich um und blieb wie versteinert stehen: Von dem hübschen lackierten Regal gegenüber starrten ihn die glasigen Augen eines bekannten Gesichts an: Dunkelblonde Ponyfransen über den Augenbrauen, auffällige Narbe auf der rechten Wange, quadratische Gesichtsform - das war Rittmeister Pudurasch, ein Nationalheld. Er war Befehlshaber einer Kompanie in der Brigade der Toten-doch-Unvergessenen gewesen; er hatte elf weiße Submarines versenkt und war in ungleichem Kampf gefallen. Sein Porträt, geschmückt mit einem Kranz Strohblumen, hing in jeder Kaserne, seine Büste zierte jeden Appellplatz. Und hier nun - geschrumpft, die Haut gelb und leblos - war sein Kopf, aber warum? Gai wich zurück, ja, der Kopf war echt. Und daneben stand noch einer: ein fremdes, spitzes Gesicht.
Und noch einer. Ein weiterer. Massaraksch, wie viele es waren!
»Mak!«, stöhnte Gai. »Hast du das gesehen?«
»Ja«, antwortete Maxim.
»Das sind Köpfe!«, stotterte Gai. »Richtige Köpfe.«
»Sieh dir die Alben auf dem Tisch an.«
Mühsam löste Gai seinen Blick von der schaurigen Sammlung, drehte sich um und trat zögerlich an den Tisch. Im Radio schrie jemand in einer fremden Sprache, Musik ertönte, und dann sprach wieder jemand mit einer sich einschmeichelnden, samtweichen, ausdrucksvollen Stimme.
Gai nahm das erstbeste Album und schlug den festen Lederdeckel auf. Ein Porträt. Ein merkwürdiges langes Gesicht mit weichem Backenbart von den Wangen bis zu den Schultern, die Haare über der Stirn wegrasiert, eine Hakennase, ungewöhnlicher Schnitt der Augen. Ein unangenehmes Gesicht, man konnte sich nicht vorstellen, dass es lächelte. Eine unbekannte Uniform, darauf in zwei Reihen Medaillen und Abzeichen. War bestimmt ein hohes Tier. Gai blätterte weiter. Derselbe Kerl inmitten anderer, ebensolcher, auf der Kommandobrücke eines weißen Submarine. Auch hier schaut er finster, die anderen dagegen grinsen breit. Unscharf im Hintergrund eine Art Strandpromenade, Gebäude, verschwommene Silhouetten von Palmen oder Kakteen. Nächste Seite. Gai stockte der Atem: ein brennender »Drache« mit schief gerutschtem Turm; aus der offenen Luke hängt der Körper eines Panzergardisten, zwei andere liegen abseits übereinander, und auf ihnen steht breitbeinig dieser Kerl, eine Pistole in der gesenkten Hand und auf dem Kopf eine Kappe, die nach vorne spitz zuläuft. Vom »Drachen« steigt dichter schwarzer Rauch auf. Gai erkannte die Gegend sofort: Es war dieses Ufer, mit seinem Sandstrand und den Dünen dahinter. Gai war innerlich aufs Äußerste angespannt, als er das Blatt wendete - nicht ohne Grund. Nun sah er eine Gruppe Mutanten, etwa zwanzig
Personen und alle nackt - ein ganzer Haufen Missgeburten, mit einer Leine gefesselt. Einige Piraten mit Spitzhauben auf den Köpfen und schwelenden Fackeln, daneben wieder dieser Kerl; offensichtlich erteilt er einen Befehl, die rechte Hand hat er ausgestreckt, die linke liegt auf dem Griff eines Dolches. Wie unheimlich diese Missgeburten waren, man traute sich kaum hinzusehen. Aber es kam noch schlimmer.
Dieselben Mutanten, schon verkohlt. Der Typ steht abseits, mit dem Rücken zu den Leichen, und riecht an einer Blume, während er sich anscheinend mit jemandem unterhält.
Ein riesiger Baum im Wald, behängt mit toten Körpern. Manche hängen an den Armen, andere an den Beinen. Diesmal sind es keine Missgeburten - einer trägt den karierten Overall eines Zöglings, ein anderer eine schwarze Gardistenjacke.
Ein Greis, an einen Pfahl gebunden. Das Gesicht verzerrt, er schreit, hat die Augen zusammengekniffen. Auch hier wieder dieser Kerl - sorgsam überprüft er eine medizinische Spritze.
Und noch mehr erhängte, brennende, versengte Mutanten, Sträflinge, Gardisten, Fischer, Bauern, Männer, Frauen, Greise, Kinder. Ein ganzer Strand voll kleiner Kinder und der Kerl, wie er hinter einem schweren MG hockt. Sie schleifen Frauen … wieder der Kerl mit der Spritze, die
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