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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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Telefon los - wie ein Schuss aus nächster Nähe, wie ein Messer an der Kehle, ein Sturz vom Dach auf den Asphalt. Der Staatsanwalt nahm den Hörer ab. Er wollte es nicht, bemerkte nicht einmal, dass er es tat, ja, bildete sich sogar ein, es nicht zu tun, sondern auf Zehenspitzen schnell ins Schlafzimmer zu laufen, sich anzukleiden, den Wagen aus der Garage zu fahren und so schnell es ging davonzujagen … Aber wohin?
    »Generalstaatsanwalt.« Er räusperte sich heiser.
    »Schlaukopf? Hier ist der Papa.«
    Jetzt … Jetzt also … Gleich würde es heißen: Wir erwarten dich in einer Stunde …
    »Ich habe deine Stimme erkannt«, murmelte er kraftlos. »Grüß dich, Papa.«
    »Hast du den Bericht gelesen?«
    »Nein.«
    Nicht? Dann komm her, wir tragen ihn dir vor …
    »Aus!«, sagte der Papa. »Wir haben’s mit dem Krieg versaut.«

    Der Staatsanwalt schluckte. Er musste irgendetwas sagen. Ganz schnell etwas sagen, am besten einen Witz machen. Ein dezentes Witzchen. Gott, verhilf mir zu einem Witz!
    »Du schweigst? Und was hatte ich dir gesagt? Lass die Finger davon. Halte dich an die Zivilisten - die Zivilisten, nicht ans Militär. Ach, Schlaukopf …«
    »Du bist der Papa«, presste der Staatsanwalt hervor. »Kinder sind nun mal ihren Eltern gegenüber ungehorsam.«
    Der Papa kicherte. »Kinder … Und wo steht geschrieben: ›Wenn dein Kind dir den Gehorsam verweigert …‹ Wie heißt es weiter, weißt du’s nicht, Schlaukopf?«
    Gott, mein Gott! »Tilge es vom Antlitz der Erde.« So hatte er es damals auch gesagt: »Tilge es vom Antlitz der Erde«, und der Wanderer hatte die schwere schwarze Pistole vom Tisch genommen und zweimal abgedrückt, und das Kind hatte nach seiner durchschossenen Glatze gegriffen und war auf den Teppich gestürzt.
    »Hast du dein Gedächtnis verloren?«, meldete sich der Papa. »Ach, Schlaukopf, was wirst du jetzt tun?«
    »Ich habe mich geirrt«, krächzte der Staatsanwalt. »Ein Irrtum … Nur wegen Hampelmann …«
    »Hast dich geirrt … Na gut, denke darüber nach, Schlaukopf. Überlege. Ich ruf nochmal an.«
    Schluss. Weg war er. Und keine Ahnung, wo man ihn erreichen könnte, weinen, ihn anflehen. Aber das wäre dumm. Das hat noch keinem geholfen. Gut, warte … Wart’s nur ab, du Schwein! Mit voller Wucht schlug er seine offene Hand auf die Tischkante, damit sie blutete und schmerzte, damit sie aufhörte zu zittern … Es half ein wenig. Dann aber bückte er sich, öffnete mit der anderen Hand die unterste Schublade, zog den Flachmann heraus, öffnete den Stöpsel mit den Zähnen und nahm ein paar Schluck. Ihm wurde heiß. So … Ruhig … Wir werden ja sehen. Es ist wie beim Wettlauf: Wer ist schneller? Den Schlaukopf kriegt ihr nicht so einfach, er
wird euch noch zu schaffen machen. So schnell zitiert man ihn nicht zu sich. Wenn das ginge, hätten sie es längst getan. Macht nichts, dass der Papa angerufen hat. Das tut er ja immer. Mir bleibt noch Zeit. Zwei Tage, drei Tage, vier. »Du hast noch Zeit!«, schrie er sich an. »Spiel nicht verrückt!« Er sprang auf und hastete im Kreis durch sein Arbeitszimmer.
    Ich habe euren Meister. Ich habe Mak. Einen Menschen, der die Strahlen nicht fürchtet. Für den es keine Barrieren gibt. Der die Dinge umordnen will. Der uns hasst. Ein unbeschriebenes Blatt und folglich allen Verführungen offen. Einer, der mir glauben und mich noch treffen wollen wird. Er möchte es ja jetzt schon. Meine Agenten haben ihm gegenüber mehrfach betont, dass der Generalstaatsanwalt gut und gerecht ist, ein echter Kenner der Gesetze und ein wahrer Hüter des Rechts; dass die Väter ihm nicht grün sind und ihn nur dulden, weil sie einander misstrauen. Meine Agenten haben mich ihm gezeigt, heimlich, unter günstigen Umständen. Und mein Gesicht hat ihm gefallen. Die Hauptsache aber ist: Unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit haben sie ihm bedeutet, dass ich weiß, wo die Zentrale ist. Er hat sich hervorragend im Griff - doch in diesem Moment, meinten die Agenten, hat er sich verraten. Über so einen Mann verfüge ich! Einen, der unbedingt die Zentrale einnehmen möchte - und es tun könnte, er als Einziger. Das heißt, bis jetzt habe ich ihn noch nicht, aber die Netze sind geworfen, der Köder ist geschluckt. Und heute ziehe ich die Angel ein. Oder ich bin erledigt … erledigt … erledigt …
    Jäh fuhr er herum und starrte entsetzt auf das gelbe Telefon.
    Seine Phantasie ließ sich nicht länger zügeln. Wieder sah er dies kleine Zimmer,

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