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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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zusammentreffen wirst, kannst du davon ausgehen, dass nur wir beide davon wissen. Bei deinen Nachforschungen wirst du natürlich mit vielen Leuten sprechen müssen, aber erfinde bitte jedes Mal eine Geschichte dazu, eine Legende. Und um diese Geschichten kümmere dich bitte selbst. Direkt, das heißt ohne eine Legende, darfst du ausschließlich mit mir sprechen.«
    »Jawohl, Exzellenz«, sagte ich willig. »Du wirst«, fuhr er fort, »mit seinen Kontaktpersonen beginnen. Alles, was wir über seine Kontaktpersonen wissen, findest du hier.« Er klopfte mit dem Finger auf die Mappe. »Es ist nicht allzu viel, aber für den Anfang reicht es. Nimm.«
    Er überreichte sie mir. Es war das erste Mal, dass ich auf der Erde eine solche Mappe in Händen hielt. Die Deckel waren aus mattem Kunststoff und wurden von einem Metallschloss zusammengehalten. Auf der oberen Seite gab es eine karminrote Prägung: Lew Wjatscheslawowitsch Abalkin. Und darunter: 07.
    »Exzellenz«, sagte ich, »warum in dieser Form?«
    »Weil das Material in anderer Form nicht existiert«, erwiderte er kühl. »Übrigens: Das Anfertigen einer Kristallkopie ist nicht erlaubt. Weiter hast du keine Fragen?«

    Das war natürlich keine Einladung zum Fragenstellen. Eher war es eine kleine Stichelei, denn es war klar, dass ich in diesem Stadium eine Menge Fragen hatte. Aber solange ich mich nicht mit der Mappe vertraut gemacht hatte, war es sinnlos, sie zu stellen. Dennoch erlaubte ich mir zwei.
    »Termin?«
    »Fünf Tage. Nicht länger.«
    Das war unmöglich zu schaffen, dachte ich.
    »Kann ich sicher sein, dass er sich auf der Erde befindet?«
    »Ja.«
    Ich stand auf, um zu gehen, doch er hielt mich zurück und schaute mich eindringlich an. Die Pupillen seiner grünen Augen verengten und weiteten sich wie bei einer Katze. Er sah natürlich, dass ich mit dem Auftrag nicht zufrieden war, dass er mir nicht nur merkwürdig, sondern geradezu unsinnig vorkam. Doch aus irgendeinem Grund war es ihm nicht möglich, mir mehr darüber zu sagen. Er konnte mich aber auch nicht einfach so gehen lassen, ohne ein Wort. Also sagte er: »Weißt du noch: Auf einem Planeten namens Saraksch war ein gewisser Sikorsky alias ›der Wanderer‹ hinter einem flinken Milchbart her, der Mak hieß …«
    Ich erinnerte mich natürlich.
    »Also«, sagte ›der Wanderer‹ alias Seine Exzellenz. »Sikorsky hat es damals nicht rechtzeitig geschafft. Aber uns beiden muss es gelingen. Denn der Planet heißt diesmal nicht Saraksch, sondern Erde. Und Lew Abalkin ist kein Milchbart.«
    »Sie sprechen in Rätseln, Chef«, sagte ich, um die in mir aufkeimende Unruhe zu verbergen.
    »Geh an die Arbeit«, erwiderte er.

1. JUNI’78
    Einiges über Lew Abalkin, Progressor
    Andrej und Sandro hatten auf mich gewartet. Als ich ihnen mitteilte, sie seien ab sofort Claudius unterstellt, waren sie entsetzt. Sie wollten sogar bockig werden. Ich aber war noch immer getrieben von Unruhe und fuhr die beiden so an, dass sie schließlich zutiefst beleidigt abzogen. Beim Hinausgehen sahen sie die Mappe mit misstrauischen, fast alarmierten Blicken an, was in mir sogleich die nächste Sorge weckte: Wo sollte ich dieses monströse »Behältnis für Dokumente« aufbewahren?
    Ich setzte mich an den Schreibtisch, legte die Mappe vor mich hin und sah automatisch auf den Registrator: Sieben Mitteilungen in den fünfzehn Minuten, die ich bei Seiner Exzellenz gewesen war. Sofort stellte ich sämtliche Dienstverbindungen auf Claudius um - was ich, wie ich zugeben muss, nicht sonderlich bedauerte. Dann befasste ich mich mit der Mappe.
    Wie erwartet, enthielt sie nichts weiter als Papiere. Zweihundertdreiundsiebzig durchnummerierte Blätter von unterschiedlicher Farbe, unterschiedlicher Beschaffenheit, unterschiedlichem Format und unterschiedlichem Erhaltungsgrad. Seit fast zwanzig Jahren hatte ich nicht mehr mit Papier zu tun gehabt, und mein erster Impuls war, den ganzen Stapel in den Translator zu stecken; aber ich hielt rechtzeitig inne. Papier, hm … gut, dann eben Papier.
    Die Blätter wurden von einer Metallvorrichtung mit Magnetverschluss fest zusammengehalten, daher bemerkte ich nicht sofort die Funkkarte, die unter der oberen Klemme steckte; es war ein Funkspruch darauf, den Seine Exzellenz heute Mittag erhalten hatte - sechzehn Minuten bevor er mich zu sich beordert hatte. Der Text lautete:
    01. 06. - 13:01 turm an wanderer.
    auf ihre anfrage vom 01. 06. - 07: 11 betreffend tristan teile ich mit: am 31. 05. - 19:34

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