Gesammelte Werke 1
überlegte Maxim. Nein, nein, Massaraksch! Soll alles laufen, wie es läuft. Er soll mich nicht zu Unrecht tadeln. Sie müssen sich jetzt selbst über alles klarwerden, und sie werden das schaffen, sobald es in ihren Köpfen dämmert. Der Wanderer steuerte wieder auf die Hauptstraße zurück.
Wildschwein klopfte ihm mit dem Pistolenlauf dezent auf die Schulter. »Seien Sie so freundlich und setzen mich bitte ab. Dort. Wo die Leute stehen …«
An einem Zeitungskiosk lehnten, die Hände tief in den Taschen ihrer langen grauen Regenmäntel, fünf Männer. Außer ihnen war niemand auf den Gehwegen - offenbar hatte der Depressionsstoß die Menschen verstört, und nun verbargen sie sich.
»Was haben Sie vor?«, fragte der Wanderer, während er abbremste.
»Frische Luft schnappen«, antwortete Wildschwein. »Heute ist selten schönes Wetter.«
»Er gehört zu uns«, erklärte Maxim ihm. (Der Wanderer bleckte furchterregend seine Zähne.) »In seiner Gegenwart können Sie über alles sprechen.«
Das Auto hielt am Straßenrand. Die Männer in den Regenmänteln begaben sich vorsichtshalber hinter den Kiosk. Man konnte sehen, wie sie von dort hervorlugten.
»Zu uns?« Wildschwein zog eine Braue hoch. »Wer ist das - wir?«
Maxim warf dem Wanderer einen verlegenen Blick zu. Der aber dachte nicht daran, ihm zu helfen.
»Ist schon gut«, sagte Wildschwein. »Ich glaube Ihnen. Wir werden uns zunächst mit dem Stab befassen. Mit ihm muss man anfangen, denke ich. Sie wissen, wovon ich rede - dort gibt es Leute, die man aus dem Weg räumen muss, solange sie die Bewegung noch nicht unter Kontrolle haben.«
»Ein richtiger Gedanke«, knurrte plötzlich der Wanderer. »Übrigens, scheint mir, kenne ich Sie. Sie sind Tik Fesku, genannt ›Wildschwein‹. Stimmt’s?«
»Richtig«, sagte Wildschwein höflich. Dann wandte er sich an Maxim. »Und Sie übernehmen die Väter. Das ist eine schwere Aufgabe, aber wie für Sie geschaffen. Wo sind Sie zu finden?«
»Warten Sie, Wildschwein«, hielt Maxim ihn zurück. »Fast hätte ich’s vergessen: In wenigen Stunden versinkt das ganze Land im Strahlenentzug. Viele Tage lang werden alle absolut hilflos sein.«
»Alle?«, fragte Wildschwein zweifelnd.
»Alle, außer den Entarteten. Diese Zeit, diese Tage müssen Sie nutzen.«
Wildschwein dachte nach.
»Wenn dem so ist, sehr gut«, sagte er. »Aber wir werden uns ja gerade mit den Entarteten befassen. Trotzdem, wo also kann man Sie erreichen?«
Maxim kam nicht zum Antworten.
»Über die alte Telefonnummer«, mischte sich der Wanderer ein. »Und am gewohnten Platz. Und Folgendes: Gründen Sie Ihr Komitee. Stellen Sie wieder die Organisation her, die im Kaiserreich bestanden hat. Ein paar von Ihren Leuten arbeiten bei mir im Institut. Massaraksch!«, schimpfte er auf einmal. »Weder Zeit haben wir noch die nötigen Leute greifbar. Der Teufel sollte Sie holen, Maxim!«
»Hauptsache, dass es die Zentrale nicht mehr gibt.« Wildschwein hatte Maxim die Hand auf die Schulter gelegt. »Sie sind ein Mordskerl, Mak. Danke.« Er drückte Maxims Schulter und kletterte ungelenk, mit Hilfe seiner Prothese, aus dem Wagen. Dann brach es plötzlich aus ihm heraus. »Mein Gott«, seufzte er und verharrte einen Moment mit geschlossenen Augen. »Gibt es sie wirklich nicht mehr? Das ist ja … das ist …«
»Schließen Sie die Tür«, sagte der Wanderer. »Fester, fester …«
Aus dem Stand raste das Auto davon. Maxim drehte sich um. Wildschwein stand inmitten der fünf grauen Mäntel und redete, wobei er mit der Pistole, die er in der gesunden Hand hielt, herumfuchtelte. Die Leute standen unbeweglich. Sie begriffen noch nicht oder konnten es nicht glauben.
Die Straße war jetzt leer. Dicht neben dem Gehsteig rollten ihnen Schützenpanzerwagen voller Gardisten entgegen, und weit vorn, dort, wo die Abzweigung zum Institut lag, versperrten bereits Fahrzeuge den Weg, liefen schwarze Gestalten hin und her. Und plötzlich leuchtete in der Kolonne der Schützenpanzerwagen ein grellgelbes Patrouillenfahrzeug mit langer Teleskopantenne …
»Massaraksch«, murmelte Maxim. »Diese Dinger habe ich ganz vergessen!«
»Du hast vieles vergessen«, sagte der Wanderer. »Du hast die mobilen Emitter vergessen, hast das Inselimperium vergessen und die Wirtschaft. Weißt du, dass im Land Inflation herrscht? Weißt du überhaupt, was Inflation ist? Ist dir bekannt, dass Hunger droht, dass der Boden nichts hergibt? Und dass wir es nicht geschafft haben,
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