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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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Mappe
    Um 14:23 Uhr war ich mit der Inhaltsübersicht fertig.
    Der größte Teil bestand aus Dokumenten, die Abalkin selbst geschrieben hatte.
    Zum Beispiel sein Bericht über die Teilnahme an der Operation »Tote Welt« auf dem Planeten Esperanza: sechsundsiebzig Seiten in großer, deutlicher Schrift, fast ohne Korrekturen. Ich überflog die Seiten. Abalkin schildert darin, wie er zusammen mit dem Kopfler Wepl auf der Suche nach etwas (mir entging, nach was) eine verlassene Stadt durchquert und als einer der Ersten Kontakt aufgenommen hatte zu den wenigen, dort noch verbliebenen Eingeborenen.
    Vor etwa fünfzehn Jahren war die Esperanza und ihr grausames Schicksal auf der Erde in aller Munde gewesen, und sie war es noch immer - als unheilvolle Warnung für alle bewohnten Welten des Universums und als Zeugnis für den jüngsten und massivsten Eingriff der Wanderer in die Geschicke anderer Zivilisationen. Es gilt jetzt als sicher, dass die Bewohner der Esperanza im Verlauf der letzten einhundert
Jahre die Kontrolle über ihre technologische Entwicklung verloren und das ökologische Gleichgewicht dabei unwiederbringlich zerstörten. Die Natur wurde vernichtet. Industriemüll und Abfallprodukte von irren, verzweifelten Experimenten, mit denen man die Lage zu verbessern versuchte, führten zu einer so starken Verschmutzung des Planeten, dass seine Bewohner von einem ganzen Komplex genetischer Krankheiten befallen wurden. Völlige Verrohung und das Aussterben der Menschheit waren unvermeidlich; die genetischen Strukturen waren verrückt geworden. Soviel ich weiß, hat man den Prozess dieser genetischen Entgleisung bis heute nicht verstanden; zumindest ist es noch keinem unserer Biologen gelungen, ihn im Modell darzustellen. Symptomatisch für die verrückt spielenden Genstrukturen war eine rapide, zeitlich nichtlineare Beschleunigung des Entwicklungstempos jedes komplexen Organismus. Der Mensch beispielsweise entwickelte sich bis zum Alter von zwölf Jahren im Allgemeinen normal, wurde dann aber sehr schnell erwachsen und noch viel schneller alt. Mit sechzehn sah er aus wie fünfunddreißig, und mit neunzehn starb er in der Regel an Altersschwäche.
    Eine solche Zivilisation hatte keinerlei historische Perspektive. Aber dann erschienen die Wanderer . Soweit uns bekannt ist, war es das erste Mal, dass sie sich in die Geschicke einer fremden Welt einmischten. Als gesichert gilt, dass sie nahezu die gesamte Bevölkerung der Esperanza durch interspatiale Tunnel evakuieren und so anscheinend retten konnten. (Wohin aber diese Milliarden von kranken, bedauernswerten Menschen evakuiert wurden, wo sie sich jetzt befinden und was aus ihnen geworden ist - wissen wir nicht und werden es wohl auch lange nicht erfahren.)
    Abalkin hatte nur am Anfang der Operation »Tote Welt« teilgenommen und dabei eine recht bescheidene Rolle gespielt. Aber er war der erste und bisher einzige irdische Progressor,
der partnerschaftlich mit einem Wesen zusammengearbeitet hat, das einer vernunftbegabten nichthumanoiden Rasse angehörte.
    Beim Überfliegen des Berichtes sah ich, dass Abalkin viele Namen darin erwähnte, hatte aber den Eindruck, dass für meinen Auftrag allein Wepl von Bedeutung war. Ich wusste, dass sich gerade eine ganze Gesandtschaft von Kopflern auf der Erde aufhielt; vielleicht lohnte es sich herauszufinden, ob dieser Wepl darunter war? Abalkin schrieb mit so viel Wärme über ihn, dass ich ein Zusammentreffen mit dem alten Freund nicht ausschloss. Mir war schon aufgefallen, dass Abalkin eine besondere Beziehung zu diesen »kleinen Brüdern« besaß: Den Kopflern hatte er mehrere Jahre seines Lebens gewidmet, auf der Giganda war er Hundeführer geworden … und überhaupt.
    In der Mappe befand sich noch ein Bericht über eine Operation Abalkins auf der Giganda. Die Operation war meiner Ansicht nach aber kaum der Rede wert: Der Jägermeister Seiner Hoheit des Herzogs von Alay hatte einem armen Verwandten eine Anstellung als Bankkurier verschafft. Der Jägermeister war Lew Abalkin, der arme Verwandte ein gewisser Kornej Jašmaa. Für meine Zwecke aber schien das Material nutzlos. Soweit ich beim flüchtigen Durchsehen feststellen konnte, kam außer Kornej Jašmaa kein einziger irdischer Name vor. Es tauchten gewisse Soggas und Nagon-Gighs auf, Stallmeister, Durchlauchten, Panzermeister, Konferenzdirektoren und Hofdamen. Ich notierte mir diesen Kornej, obwohl klar war, dass ich ihn wahrscheinlich nicht brauchen würde. Der zweite

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