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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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und sie nicht wieder zurückkehren würden, aktivierte man die Zelle. Zur Welt kam Lew Abalkin, der postume Sohn lebender Eltern. Zumindest verstand ich jetzt, warum auf Blatt Nr. 1 Abalkins Eltern keine Erwähnung fanden.

    Ernst Julius Horn, Abalkins Betreuer an der Progressoren-Schule, lebte nicht mehr. Er war’72 auf der Venus bei einer Besteigung des Pik Strogow ums Leben gekommen.
    Der Arzt Romuald Grăsescu hielt sich auf einem Planeten Namens Lu auf und war, wie es schien, für Abalkin völlig außer Reichweite. Ich hatte bisher nie von diesem Planeten gehört; da aber Grăsescu als Progressor arbeitete, war anzunehmen, dass es sich um einen bewohnten Planeten handelte. Der alte Mann (hundertsechzehn Jahre) hatte jedoch beim GGI seine letzte Privatanschrift hinterlegt und - was sehr interessant war - eine Notiz hinzugefügt: »Unter dieser Adresse sind meine Enkelin und ihr Mann zu erreichen, die all meine Schützlinge jederzeit gerne empfangen.« Die Schützlinge hatten ihren Alten anscheinend ins Herz geschlossen und ihn des Öfteren besucht; das musste ich im Auge behalten.
    Mit den übrigen beiden hatte ich Glück.
    Sergej Pawlowitsch Fedossejew, Abalkins Lehrer, erfreute sich bester Gesundheit und lebte am Ufer des Ajatsker Sees auf einem Gehöft mit dem leicht bedrohlichen Namen Komariki - »Mückenau«. Auch er war schon über hundert Jahre alt und entweder sehr bescheiden oder höchst verschlossen, denn er teilte nichts über sich mit als die Adresse. Alle weiteren Daten waren offizieller Natur: die und die Ausbildung, Archäologe, Lehrer. Mehr nicht. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt man, denn genauso hat es auch sein Schüler Lew Abalkin gemacht. Als ich eine Zusatzanfrage an das GGI richtete, stellte sich zudem heraus, dass Sergej Pawlowitsch der Verfasser von über dreißig Artikeln zur Archäologie war, dass er an acht archäologischen Expeditionen in Nordwestasien und an drei eurasischen Lehrerkonferenzen teilgenommen hatte. Außerdem hatte er auf seinem Gehöft »Mückenau« ein Privatmuseum für das Paläolithikum des Nördlichen Urals eingerichtet, das im ganzen Bezirk bekannt war. All dies aber
hatte Sergej Pawlowitsch nicht ans GGI weitergegeben … Ich nahm mir vor, so bald wie möglich Kontakt zu ihm aufzunehmen.
    Jadwiga Michailowna Lekanowa bescherte mir ihrerseits eine kleine Überraschung. Kinderärzte wechseln bekanntlich selten den Beruf; daher hatte ich sie mir als eine alte Dame vorgestellt, die rüstig, aber gebeugt unter der Last ihrer ungeheuren Erfahrung (der wertvollsten überhaupt), über das Gelände der alten Schule in Syktywkar trippelt. Doch weit gefehlt: Eine Zeit lang hatte sie zwar tatsächlich als Kinderärztin in Syktywkar gearbeitet, sich dann aber zur Ethnologin ausbilden lassen. Damit aber nicht genug: Jadwiga Lekanowa befasste sich mit Xenologie, Pathoxenologie, vergleichender Psychologie und Levelometrie. Und in all diesen nicht sonderlich eng miteinander verknüpften Wissenschaften war sie offensichtlich sehr erfolgreich: Sie hatte eine große Anzahl von Artikeln veröffentlicht und verantwortungsvolle Ämter bekleidet. Im Laufe der letzten 25 Jahre war sie in sechs verschiedenen Instituten und Organisationen tätig gewesen. Jetzt arbeitete sie im mobilen Institut für irdische Ethnologie im Amazonasbecken. Eine Adresse besaß sie nicht; Interessenten wurde empfohlen, sie über die Niederlassung des Instituts in Manáus zu kontaktieren. Nun, wenigstens etwas - wenn es auch sehr unwahrscheinlich war, dass sich Abalkin in seiner jetzigen Verfassung zu Lekanowa in die noch immer urtümliche Wildnis schleppen würde.
    Es war also klar, dass ich mit dem Lehrer anfangen musste. Ich klemmte mir die Mappe unter den Arm, stieg in die Maschine und flog zum Ajatsker See.

1. JUNI’78
    Lew Abalkins Lehrer
    Entgegen meinen Befürchtungen stand das Gehöft »Mückenau« an einem hohen Abhang über dem Wasser, war heftigen Winden ausgesetzt, und Mücken gab es dort auch nicht. Der Hausherr empfing mich sehr freundlich und ohne jede Verwunderung. Wir gingen auf die Veranda und setzten uns in Korbsessel, die um ein kleines antikes Tischchen herumgruppiert waren; darauf standen eine Schüssel mit frischen Himbeeren, ein Krug mit Milch und einige Gläser.
    Ich entschuldigte mich für mein plötzliches Erscheinen, was Fedossejew mit einem stillen Kopfnicken quittierte. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck ruhiger Erwartung, beinahe Gleichgültigkeit. Überhaupt zeigte

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