Gesammelte Werke 1
Schatten für Schatten, auf Papier zu übertragen, was ihr als Albtraum noch vor Augen stand und die wirkliche Welt verdeckte.
Auf den Zeichnungen war nichts Besonderes zu sehen. Ein Netz von Linien, bekannte Dinge ließen sich erahnen: das Verandageländer, der Tisch, die Sträucher, und über allem - verschwommene Schatten undefinierbarer Formen. Sicher, die Zeichnungen vermittelten ein Gefühl von Beunruhigung, Unbehagen … Oleg Olegowitsch fand, dass die Skizzen durchaus etwas hatten. Obwohl, seiner Meinung nach sei alles viel einfacher und scheußlicher gewesen. Aber er stehe der Kunst auch ziemlich fern, sei nur ein unqualifizierter Kunstliebhaber, nicht mehr …
Er fragte Toivo, was man herausgefunden hätte. Toivo erzählte ihm von seinen Vermutungen: Fleming, Nishnaja
Pescha, ein Embryophor neuen Typs und so weiter. Pankratow nickte zustimmend und merkte dann traurig an, was ihn an der Geschichte am meisten betrübe, sei … Wie soll man sagen? Nun, die übermäßige Nervosität der Erdenbewohner heutzutage. Sie hätten alle das Weite gesucht, alle! Wenn wenigstens einer Interesse gezeigt hätte, neugierig gewesen wäre. Um die Ehre der heutigen Erdenbewohner zu verteidigen, erzählte Toivo von Oma Albina und dem Jungen Kir.
Nun lebte Oleg Olegowitsch ungemein auf, schlug mit den schaufelgroßen Händen auf die Armlehnen des Sessels und auf den Tisch, warf bald Toivo, bald Sossja triumphierende Blicke zu und rief unter lautem Lachen: »Sieh an, der kleine Kir! So ein Prachtkerl! Ich habe ja immer gesagt, dass aus ihm noch was wird. Und dann unsere gute Albina! Von wegen zierlich-manierlich.« Worauf Sossja recht heftig wurde und erklärte, daran sei wohl nichts Verwunderliches, Kinder und Alte seien schon immer vom selben Schlag gewesen. »Und die Raumflieger!«, rief Oleg Olegowitsch. »Vergiss die Raumflieger nicht, Liebste!« Dann lieferten sie sich - halb im Ernst und halb im Scherz - ein Wortgefecht, bis es zu einem kleinen Zwischenfall kam.
Oleg Olegowitsch, der seiner Liebsten bisher mit einem Lächeln von einem bis zum anderen Ohr gelauscht hatte, hörte plötzlich auf zu lächeln. Die Fröhlichkeit auf seinem Gesicht wich einem Ausdruck von Bestürzung, so, als hätte ihn etwas bis ins Mark erschüttert. Toivo folgte seinem Blick und sah Folgendes: Der untröstliche, enttäuschte Ernst Jürgen stand in der Tür seines Cottages Nr. 7. Er trug jetzt nicht mehr seine Krabbenkrebsfang-Montur, sondern einen weiten beigefarbenen Anzug. Er hatte sich an einen Pfosten angelehnt, hielt in einer Hand eine flache Bierdose und in der anderen ein riesiges Butterbrot, das mit etwas Rotweißem belegt war. Mal führte er die eine Hand zum Mund und mal die
andere, er kaute, schluckte, und dabei blickte er unablässig über den Platz zum Eingang des Klubs.
»Da ist ja auch Ernst!«, rief Sossja aus. »Und du sagst …«
»Ich werd verrückt!«, sagte Oleg Olegowitsch langsam und sah noch genauso bestürzt aus wie zuvor.
»Wie du siehst, ist Ernst auch nicht erschrocken«, bemerkte Sossja giftig.
»Das sehe ich«, gab Oleg Olegowitsch zu.
Er wusste etwas über diesen Ernst Jürgen und hatte auf gar keinen Fall erwartet, ihn nach den nächtlichen Ereignissen hier zu sehen. Ernst Jürgen hatte hier nichts zu schaffen. Er hatte nicht auf seiner Veranda in Malaja Pescha zu stehen, Bier zu trinken und gekochte Krabbenkrebse zu essen. Ernst Jürgen hatte sofort und ohne sich noch einmal umzusehen das Weite zu suchen - auf seinen Titan oder noch weiter.
Eilends klärte Toivo das Missverständnis auf und erzählte, dass Ernst Jürgen gestern Nacht nicht in der Siedlung, sondern mehrere Kilometer flussabwärts auf Krabbenkrebsfang gewesen war. Nun schien Sossja sehr betrübt. Oleg Olegowitsch jedoch, so kam es Toivo vor, atmete geradezu erleichtert auf. »Das ist ja ganz was anderes!«, sagte er. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« Und obwohl ihn niemand gefragt hatte, was der Grund für seine Bestürzung gewesen war, begann er nun plötzlich mit Erklärungen: In der Nacht, als die Panik herrschte, habe es ihn nämlich sehr irritiert mit anzusehen, wie Ernst Jürgen sich auf die schändlichste Weise, mit den Ellenbogen an allen vorbei in die Null-Kabine gedrängt hatte. Jetzt aber sei ihm klar, dass er sich getäuscht hatte, dass es nicht so gewesen sei und, wie man sieht, auch nicht so gewesen sein konnte. Doch im ersten Moment, als er Ernst Jürgen mit der Bierdose erblickt hatte …
Niemand weiß, ob
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