Gesammelte Werke 1
festzustellen, ob sich Emile Far Ale unter der eingetragenen Adresse aufhält, erlitt ich einen Anfall von Übelkeit mit Halluzinationen. Da ich nicht beurteilen kann, ob das nur mich persönlich etwas angeht oder auch für den
Fall von Interesse ist, berichte ich in Nr. 048/99 gesondert über diesen Vorfall.
Sandro Mtbewari
Ich habe bis heute nicht erfahren, was die Inspektionsergebnisse Sandro Mtbewaris bei Toivo Glumow auslösten. Ich glaube, er war erschüttert. Und es waren sicher weniger die Ergebnisse an sich, die ihn erschütterten, als der Gedanke, dass er die ungeheure, ja, unvorstellbare Macht des Feindes in diesem Maße unterschätzt hatte.
Ich bekam Toivo weder am 11. noch am 12. oder 13. Mai zu Gesicht. Es müssen schwere Tage für ihn gewesen sein, in denen er sich an seine neue Rolle gewöhnte - die Rolle des Aljoscha Popowitsch aus der russischen Folklore. Vor diesem erscheint anstelle des angekündigten Götzenbildes plötzlich der boshafte Gott Loki selbst.
Doch all diese Tage dachte ich an Toivo, dachte über ihn nach - denn am Morgen des 11. Mai hatten mich zwei Dokumente erreicht …
Dokument 15
Der Präsident
an den Leiter der Abteilung BV
11. 05.’99
Lieber Big Bug!
Es ist nichts zu machen, ich muss mich jetzt operieren lassen. Aber es wird ja auch sein Gutes haben. Meine Aufgaben übernimmt
zusätzlich zu seinen eigenen G. Komow (ich glaube, von heute an). Ihre Unterlagen habe ich ihm übergeben, will aber nicht verschweigen, dass er ihnen skeptisch gegenübersteht. Komow kennt mich und er kennt Sie. Jetzt ist er vorbereitet, so dass Sie gute Chancen haben, ihn zu überzeugen, vor allem, wenn Sie die neuen Informationen haben, die Sie sich verschaffen wollten. Von jetzt an werden Sie es nicht nur mit einem Sektorenpräsidenten der KK-2 zu tun haben, sondern mit einem einflussreichen Mitglied des Weltrates dazu. Ich wünsche Ihnen Glück, und bitte wünschen Sie mir auch welches.
Athos
Dokument 16
Mak!
1. Glumow, Toivo Alexandrowitsch, wurde heute unter Kontrolle genommen. (Registriert 8.05 Uhr).
2. Ebenfalls seit heute sind unter Kontrolle:
Kaskazi, Artek, 18, Schüler. Teheran. 7.05.
Mauki, Charles, 63, Seetechniker. Odessa. 8.25.
11. Mai’99
Laborant
Es mag seltsam sein, aber ich habe fast keine Erinnerung mehr daran, was diese völlig unerwartete Mitteilung des Laboranten bei mir auslöste. Ich entsinne mich nur noch einer Empfindung: Als hätte man mir einen heimtückischen Schlag ins Gesicht versetzt, ohne Grund und ohne Zweck, ohne Vorwarnung,
zu einem Zeitpunkt, wo ich etwas ganz anderes erwartet hatte. Ich erinnere mich nur noch, dass ich zutiefst gekränkt war, gekränkt wie ein weinendes Kind. Und nur das ist geblieben von dieser Stunde, in der ich fassungslos dasaß und vor mich hinstarrte.
Sicher gingen mir wirre Gedanken durch den Kopf von Untreue und Verrat. Und ich empfand gewiss auch Wut und furchtbare Enttäuschung: Mein Aktionsplan, in dem jeder seinen festen Platz hatte, war fertig ausgearbeitet; jetzt aber klaffte darin eine Lücke, die sich nicht schließen ließ. Und ich empfand natürlich auch Kummer - tiefen Kummer über den Verlust eines Freundes, eines Gleichgesinnten, eines Sohnes.
Aber es war wohl eher eine vorübergehende Geistestrübung, ein Chaos - weniger von Gefühlen, als vielmehr von Gefühlssplittern.
Dann kam ich langsam wieder zu mir und begann, die Situation zu analysieren, kühl und methodisch, so wie es für meine Position angemessen war.
Der Wind der Götter bringt den Sturm, doch er füllt uns auch die Segel.
So fand ich an diesem bewölkten Morgen für Toivo Glumow doch noch einen Platz in meinem Plan. Und dieser neue Platz für den neuen Toivo Glumow erschien mir nicht weniger, sondern sogar noch viel wichtiger als der Platz zuvor. Mein Plan gewann an Perspektive; jetzt hieß es nicht mehr, sich verteidigen, jetzt hieß es angreifen.
Am selben Tag setzte ich mich mit Komow in Verbindung, und er bestellte mich für den Tag darauf, den 12. Mai, zu sich.
Er empfing mich frühmorgens im Arbeitszimmer des Präsidenten. Ich legte ihm alle Materialien vor, die ich bis dahin zusammengetragen hatte; unsere Unterredung dauerte fünf Stunden. Mein Plan wurde mit geringfügigen Korrekturen genehmigt. (Ich will nicht behaupten, dass es mir voll und
ganz gelungen war, Komows Skepsis zu zerstreuen, aber sein Interesse hatte ich zweifellos geweckt.)
Als ich in mein Zimmer zurückgekehrt war, legte ich die Spitzen meiner
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