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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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»Projekt«
     
    Gemäß Ihrer Anordnung und auf der Basis aller mir zur Verfügung stehenden Quellen habe ich eine Liste zusammengestellt, in der alle Fälle von Inversion des »Pinguin-Syndroms« aufgeführt sind. Insgesamt konnte ich 12 Fälle ermitteln; bei zehn von ihnen gelang eine Identifizierung. Der Vergleich der Liste von identifizierten Inversanten mit der Liste »P« ergab eine Überschneidung bei folgenden Personen:
    1. Kriwoklykow, Iwan Georgijewitsch, 65 Jahre alt, Psychiater, Basis »Lemboy« (EN 2105).
    2. Pakkala, Alf-Christian, 31 Jahre alt, Bauoperator, BK Alaska, Anchorage.
    3. Io, Nike, 48 Jahre alt, Stoffdesignerin, Kombinat »Irrawaddy«, Pyapon.
    4. Tuul, Albert Oskarowitsch, 59 Jahre alt, Gastronom, Aufenthaltsort unbekannt (s. Nr. 047/99 von S. Mtbewari).

    Der Anteil von Überschneidungen in den beiden Listen erscheint mir erstaunlich hoch. Die Tatsache, dass A. O. Tuul aber in drei Listen auftaucht, ist noch erstaunlicher.
    Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die vollständige Liste der Personen mit Inversion des »Pinguin-Syndroms« lenken. Sie liegt bei.
    T. Glumow

    »Leonidsheim« (Krāslava, Lettland).
    14. Mai ’99, 15:00 Uhr
     
    Bei Krāslava war die Daugava nicht sehr breit, dafür floss sie schnell und sah sehr klar aus. Der Strand, ein schmaler Streifen trockenen Sands, schimmerte gelb; dann stieg der Sandhang steil zu den Kiefern hin an. Auf der ovalen, grau-weiß karierten Landeplattform, die über das Wasser hinausragte, standen drei verschiedenfarbige, ungeordnet abgestellte Flieger und brüteten in der Sonne. Es waren altmodische, schwere Maschinen, die heute kaum noch geflogen werden - höchstens von alten Leuten, die noch im vorigen Jahrhundert geboren sind.
    Toivo streckte die Hand aus, um die Tür des Gleiters zu öffnen. Doch ich bat: »Nein, warte.«
    Ich schaute den Hang hinauf: Zwischen den Kiefern schimmerten cremefarben die Wände des Häuschens hindurch. Von dort führte eine Treppe, die verwittertes, mit der Zeit grau gewordenes Holz imitierte, im Zickzack den Hang hinab. Auf der Treppe war eine weiß gekleidete Person zu sehen, die langsam die Stufen hinunterstieg - ein schwerfälliger und anscheinend sehr alter Mann, der sich mit der rechten Hand ans Geländer klammerte und auf jeder Stufe einen Fuß neben den anderen stellte, ehe er den nächsten Schritt tat. Auf seinem
großen, blanken Schädel zitterte ein Sonnenreflex. Ich hatte ihn erkannt. Es war August Johann Bader, Planetenerkunder und Fährtensucher. Die Ruine eines heroischen Zeitalters.
    »Wir warten, bis er unten ist«, sagte ich. »Ich möchte ihm nicht begegnen.«
    Ich wandte mich um und blickte in die entgegengesetzte Richtung, über den Fluss ans andere Ufer, und auch Toivo wandte sich taktvoll ab. So blieben wir sitzen, bis wir das schwere Knarzen der Stufen hörten, das pfeifende, angestrengte Atmen und weitere, merkwürdige Geräusche, die wie abgehacktes Schluchzen klangen. Dann ging der Greis am Gleiter vorüber, schlurfte mit den Sohlen über die Plasten und tauchte in meinem Blickfeld auf. Ich sah ihm unwillkürlich ins Gesicht.
    Aus der Nähe erschien mir dieses Gesicht völlig unbekannt. Es war vom Leid gezeichnet; die Wangen hingen herab und zitterten, der Mund stand unwillkürlich offen, und aus den verquollenen Augen rannen Tränen.
    Gebeugt näherte sich Bader einem altertümlichen gelbgrünen Flieger - es war sicher der älteste von den dreien, mit hässlichen Visierschlitzen eines altmodischen Autopiloten; er hatte zudem alberne Beulen am Heck, ramponierte Seitenwände und stumpf gewordene, vernickelte Haltegriffe. Bader trat heran, klappte die Tür auf und stieg - keuchend oder schluchzend - in die Kabine.
    Dann geschah lange Zeit nichts. Der Flieger stand mit offener Tür da. Der alte Mann, der darin saß, sammelte sich wohl vor dem Start oder hatte den kahlen Kopf auf den abgegriffenen ovalen Steuerknüppel gelegt und weinte. Doch dann endlich erschien eine braune Hand in einer weißen Manschette und schlug die Türe zu. Die alte Maschine hob überraschend leicht und völlig lautlos ab und verschwand zwischen den abschüssigen Ufern über dem Fluss.

    »Das war Bader«, sagte ich. »Er hat Abschied genommen. Gehen wir.«
    Wir stiegen aus dem Gleiter und gingen die Treppe hinauf.
    Ohne mich zu Toivo umzudrehen, sagte ich: »Lass die Gefühle beiseite. Du gehst zum Rapport. Es wird eine sehr wichtige dienstliche Besprechung. Nimm dich zusammen.«
    »Eine dienstliche

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