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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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vortrefflichen Menschen verärgert haben sollte, verzweifelte er fast. Hastig besann er sich auf seine Verfehlungen und die seiner Gardisten. Doch er konnte sich an nichts erinnern, das nicht längst erledigt gewesen wäre - weggewischt mit einer Geste der verstümmelten Hand und Tschatschus heiserem, griesgrämigem »Na schön, was soll’s, ist eben die Garde …«.
    Der Rittmeister hörte auf zu pfeifen, wippte auch nicht mehr mit dem Stuhl.
    »Ich mag weder Geschwätz noch Geschreibsel, Korporal«, sagte er. »Entweder du empfiehlst den Anwärter Sim, oder du empfiehlst ihn nicht. Was denn nun?«
    »Jawohl, Herr Rittmeister. Ich empfehle ihn«, antwortete Gai eilfertig. »Aber …«
    »Ohne ›aber‹, Korporal! Empfiehlst du ihn oder nicht?«
    »Jawohl. Ich empfehle ihn.«
    »Wie soll ich dann diese beiden Schreiben verstehen?« Der Rittmeister zog rasch zwei zusammengelegte Blätter aus seiner Brusttasche, hielt sie mit der versehrten Hand fest und faltete sie mit der unversehrten auf dem Tisch auseinander. »Hier steht: ›Ich empfehle genannten Mak Sim als ergeben und fähig …‹, das ist klar, ›zur Bestätigung im hohen Rang eines Anwärters der Kämpfenden Garde.‹ Und jetzt dein zweiter Schrieb, Korporal: ›In Verbindung mit Obengesagtem betrachte ich es als meine Pflicht, die Aufmerksamkeit der Truppenführung auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überprüfung des genannten Anwärters der Kämpfenden Garde, M. Sim, zu lenken.‹ Massaraksch! Was willst du eigentlich, Korporal?«
    »Herr Rittmeister«, antwortete Gai erregt, »ich bin in einer sehr schwierigen Situation! Ich kenne den Anwärter Sim als
befähigten und den Aufgaben der Garde ergebenen Bürger. Und ich bin sicher, er wird uns großen Nutzen bringen. Aber ich weiß gar nichts über seine Vergangenheit! Er kennt sie ja nicht einmal selbst. Wenn man bedenkt, dass in der Garde nur Platz ist für kristallklare …«
    »Ja, ja«, unterbrach ihn Tschatschu ungeduldig. »Kristallklar, ohne Wenn und Aber ergeben, bis zum letzten Tropfen, mit ganzer Seele … Machen wir’s kurz, Korporal: Du nimmst jetzt eins dieser Blätter und zerreißt es. Du musst schließlich eine Meinung haben! Und ich kann nicht mit beiden zum Brigadegeneral gehen. Entweder ja oder nein. Wir sind in der Garde, nicht an der Philosophischen Fakultät, Korporal! Zwei Minuten Bedenkzeit.«
    Der Herr Rittmeister holte einen dicken Aktenordner aus dem Regal und warf ihn angewidert vor sich auf den Tisch. Gai blickte bedrückt auf die Uhr; es fiel ihm sehr schwer, seine Wahl zu treffen. Vor der Truppenführung zu verheimlichen, dass man einen Anwärter nur ungenügend kannte, war unehrenhaft und eines Gardisten unwürdig, selbst im Falle Maxims. Andererseits war es aber ebenso unehrenhaft und eines Gardisten unwürdig, sich vor der Verantwortung zu drücken und die Entscheidung auf den Herrn Rittmeister abzuwälzen, der den Anwärter nur zweimal gesehen hatte, und auch das nur im Glied … Also gut, noch einmal. Was sprach für Maxim: Er hat sich die Aufgaben der Garde mit großem Eifer zu Herzen genommen, welche da sind: die Kriegsfolgen zu beseitigen und die Agenten eines potenziellen Aggressors zu vernichten. Er hat nicht nur die Musterung im Departement für soziale Gesundheit einwandfrei durchlaufen, sondern auch die Überprüfung bestanden, zu der ihn Rittmeister Toot und Stabsarzt Sogu in irgendeine geheime Institution geschickt hatten. (Allerdings konnte man sich da bloß auf Maxims eigene Aussage verlassen; die entsprechenden Papiere hatte er verloren. Doch ließe man ihn sonst frei herumlaufen?)
Er war mutig und ein geborener Kämpfer und ganz allein mit Rattenfängers Bande fertiggeworden. Er war sympathisch, im Umgang schlicht, gutmütig, absolut uneigennützig, und überhaupt: ein Mensch mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Was sprach gegen ihn? Keiner wusste, wer er war und woher er kam. Entweder hatte er seine Vergangenheit vergessen, oder er wollte sie nicht preisgeben. Und er besaß keinerlei Dokumente. Aber machte ihn das so verdächtig? Die Regierung kontrollierte lediglich die Grenzen und das zentrale Gebiet; zwei Drittel des Landes aber steckten bis zum heutigen Tag in Anarchie. Dort herrschten Hunger und Seuchen; die Menschen flohen - und alle ohne Papiere, ja, die jungen Menschen wussten nicht einmal, was das ist. Wie viele von ihnen waren krank, ohne Gedächtnis, sogar degeneriert … Hauptsache, Maxim war kein Entarteter.
    »Nun, Korporal?«, ließ

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