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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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selbstverständlich sind, abgelehnt, und man konnte ihn in keiner Weise überzeugen. Im Gegenteil, man begann selbst zu zweifeln, der Kopf drehte sich wie ein Kreisel, war ganz wirr … Nein, er ist kein gewöhnlicher Mensch. Er ist besonders und ohne Beispiel. In einem Monat hat er die Sprache gelernt, Lesen und Schreiben in zwei Tagen. An zwei weiteren Tagen hat er all meine Bücher gelesen. Die Mathematik und Mechanik kennt er besser als die Herren
Lehrer; dabei werden wir von richtigen Spezialisten unterrichtet. Oder nehmen wir Onkelchen Kaan …
    In letzter Zeit richtete der Alte seine Monologe am Tisch ausschließlich an Maxim. Mehr noch: Einige Male ließ er sogar durchblicken, Maxim sei in diesen Zeiten wohl der einzige Mensch, der echtes Interesse und die rechten Fähigkeiten für fossile Tiere mitbringe. Onkelchen Kaan zeichnete ein paar scheußliche Tiere auf ein Blatt Papier, Maxim zeichnete noch scheußlichere hinzu, und dann stritten sie, welches davon älter sei, welches von welchem abstamme und warum es sich so und nicht anders verhalte, Fachbücher aus Onkelchens Bibliothek wurden gewälzt … Es kam vor, dass Maxim den Alten nicht mehr zu Wort kommen ließ, auch, dass Onkel Kaan sich heiser schrie, die Zeichnungen in Fetzen riss und mit den Füßen darauf trampelte, oder er schimpfte Maxim einen Ignoranten, schlimmer noch als der Dummkopf Schapschu. Dann aber fuhr er sich plötzlich mit beiden Händen durch den spärlichen grauen Haarkranz und murmelte mit erstauntem Lächeln: »Kühn, Massaraksch, sehr kühn. Sie haben Phantasie, junger Mann!« Bei alldem verstanden Gai und Rada keine Silbe von dem, worum es ging. Besonders haftete Gai ein Abend im Gedächtnis, an dem Maxim behauptete, einige der vorzeitlichen Geschöpfe seien auf den Hinterbeinen gegangen. Der Alte war sprachlos: Maxims These löste auf sehr einleuchtende und natürliche Weise eine alte, noch aus der Vorkriegszeit stammende, wissenschaftliche Streitfrage.
    In Mathematik kennt er sich aus, ebenso in Mechanik, die Militärchemie beherrscht er ausgezeichnet, die Paläontologie - wer weiß heutzutage davon überhaupt noch etwas? - ist ihm gleichermaßen vertraut. Er malt wie ein Maler, singt wie ein Sänger. Und gutherzig ist er, übernatürlich gutherzig. Er allein gegen acht Banditen, und er hat sie geschlagen, mit bloßen Händen. Ein anderer an seiner Stelle würde einherstolzieren
wie ein Gockel und auf alle anderen pfeifen. Er aber quälte sich, lag nächtelang wach. Lob und Dank bekümmerten ihn, und einmal brach er gar in Zorn aus, wurde blass und schrie, es sei unehrenhaft, für Mord zu loben. Gott, und was für ein Problem es war, ihn in die Garde zu kriegen! Alles versteht er, ist mit allem einverstanden, er will ja hinein - aber, sagt er, dort muss man schießen. Auf Menschen. Ich erkläre ihm: auf Entartete, nicht auf Menschen, auf den Abschaum, schlimmer noch als Banditen … Gott sei Dank, wir konnten uns darauf einigen, dass er zunächst einmal nur den Gegner entwaffnet, bis er sich ans Schießen gewöhnt hat. Lachhaft ist das, aber auch irgendwie beängstigend. Nein, nicht ohne Grund sagt er immerzu, er käme aus einer anderen Welt. Und ich kenne sie - Onkelchen hat sogar ein Buch darüber: »Das Nebelland Sartak«. In den Alabasterbergen, heißt es da, liegt das Tal Sartak, in dem glückliche Menschen wohnen. Der Beschreibung nach sind alle wie Maxim. Und das Erstaunliche: Verlässt einer von ihnen sein Tal, vergisst er sofort, woher er stammt und was früher mit ihm war. Er weiß nur noch, er kommt aus einer anderen Welt. Onkelchen meint ja, so ein Tal gäbe es überhaupt nicht, das sei alles Erfindung, es existiere nur ein Gebirgsrücken Sartak, und im Krieg, sagt er, habe man diesen Bergrücken dermaßen mit Superbomben zerhackt, dass die ortsansässigen Gebirgler nie mehr eine Erinnerung haben werden …
    »Warum bist du so still?«, fragte Maxim. »Machst du dir meinetwegen Gedanken?«
    Gai wandte den Blick ab. »Folgendes«, sagte er. »Ich bitte dich um eins: Lass dir im Interesse der Disziplin niemals anmerken, dass du mehr weißt als ich. Achte auf die anderen, und benimm dich wie sie.«
    »Ich werde mir Mühe geben«, antwortete Maxim bedrückt. Er dachte ein wenig nach und fügte hinzu: »Schwer, sich daran zu gewöhnen. Bei uns ist alles anders.«

    »Was macht deine Verletzung?«, fragte Gai, um das Thema zu wechseln.
    »Meine Wunden heilen schnell«, murmelte Maxim zerstreut. »Hör mal, Gai, lass uns

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