Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
Vom Netzwerk:
etwas Vertrautes über den Bildschirm flimmerte. Er rieb sich die Augen. Tatsächlich, es war die Pandora; ein finsterer Tachorg wälzte sich durch den Dschungel, knickte die Bäume um, und auf einmal stand Oleg da, eine Lockpfeife in der Hand, ernst und konzentriert; langsam wich er zurück, stolperte über ein Knorrholz und flog rückwärts in den Sumpf. Verwundert begriff Maxim, dass er da sein eigenes Mentogramm sah, dann noch eins und ein weiteres, ohne Kommentar, stets von ein und derselben Musik untermalt. Dann verschwand die Pandora und überließ die Szene einem mageren Blinden, der an einer dicht mit Spinnweben bedeckten Zimmerdecke entlangkroch. »Was ist das?«, fragte Maxim und wies auf den Bildschirm. »Eine Sendung«, antwortete
Rada ungeduldig. »Interessant. Sieh hin!« Er aber fand darin noch immer keinen Sinn und dachte sich, dass hier womöglich die Erinnerungen verschiedener Interplanetarier an ihre Heimat gezeigt wurden. Doch bald verwarf er den Gedanken, denn die Bilder waren zu scheußlich, zu monoton: isolierte stickige Kämmerchen, endlose Korridore voller Möbel, die sich plötzlich in gigantische Dornen verwandelten, Wendeltreppen im undurchdringlichen Dunkel enger Schächte, vergitterte Keller; darin wimmelte es von stumpfsinnig hantierenden Körpern, zwischen denen, wie bei Hieronymus Bosch, starre, groteske Gesichter hervorblickten - es ähnelte eher einem Fieberwahn als der wirklichen Welt. Verglichen mit diesen Visionen, waren Maxims Mentogramme geradezu realistisch, wenn auch sein Temperament dieses Reale bisweilen zu romantischem Naturalismus verklärte. Derartige Sendungen wiederholten sich nahezu jeden Tag, sie hießen »Wunderreise«, und Maxim begriff nie ganz ihren Sinn. Fragte er danach, zuckten Gai und Rada die Schultern und antworteten: »Eine Sendung. Damit es interessant ist. Eine Wunderreise. Ein Märchen. Sieh nur hin, sieh hin. Mal kann man lachen, mal macht es Angst.« Und in Maxim regten sich ernsthafte Zweifel, ob Professor Nilpferds Untersuchungen wirklich der Kontaktaufnahme dienten, ja, ob es sich dabei überhaupt um Untersuchungen handelte.
    Zehn Tage später sah sich Maxim indirekt in seinem Zweifel bestätigt: Gai standen die Aufnahmeprüfungen für das Fernstudium zum ersten Offiziersrang bevor, und er war dabei, Mathematik und Mechanik zu lernen. Die Schemata und Formeln des Grundkurses in Ballistik befremdeten Maxim. Als er nachfragte, verstand ihn Gai zunächst nicht, erläuterte ihm aber dann, nachsichtig lächelnd, die Kosmografie seiner Welt. Wie sich herausstellte, war die bewohnte Insel weder Kugel noch Geoid: Sie war überhaupt kein Planet.

    Die bewohnte Insel war die Welt schlechthin - und zwar die einzige im Universum. Unter den Füßen ihrer Bewohner lag eine feste Oberfläche und über ihren Köpfen dehnte sich eine riesenhafte, wenn auch endliche Gasblase aus. Diese war von unbekannter Zusammensetzung und ihre physikalischen Eigenschaften noch nicht völlig geklärt. Der Theorie zufolge nahm die Dichte des Gases zum Mittelpunkt der Blase hin rapide zu, so dass dort geheimnisvolle Prozesse stattfanden, die ihrerseits die regelmäßigen Helligkeitsschwankungen des sogenannten Weltlichts bedingten, insbesondere den Tag-Nacht-Rhythmus. Außer diesen schnell aufeinanderfolgenden Zustandswandlungen erlebte das Weltlicht auch längerfristige, die den Wechsel der Jahreszeiten und entsprechende Temperaturschwankungen nach sich zogen. Die Schwerkraft wirkte vom Mittelpunkt der Weltsphäre, das heißt der Blase, senkrecht auf ihre Oberfläche. Kurzum: Die bewohnte Insel lag auf der inneren Oberfläche einer gewaltigen Blase und diese wiederum befand sich in einer endlosen festen Substanz, die den Rest des Universums ausfüllte.
    Überrascht und verwirrt, wollte Maxim zu streiten beginnen, merkte aber bald, dass Gai und er einander noch weniger verstanden als ein überzeugter Kopernikaner und ein leidenschaftlicher Anhänger des Ptolemäus. Nein, das Wesentliche waren die erstaunlichen atmosphärischen Eigenschaften dieses Planeten. Erstens hob die ungewöhnlich starke Lichtbrechung den Horizont an und suggerierte damit den hiesigen Menschen, ihr Planet sei weder flach noch rund, sondern hohl. »Stellen Sie sich ans Meeresufer«, empfahlen die Schulbücher, »und verfolgen Sie die Bewegung eines Schiffs, das den Hafen verlässt. Zuerst wird es wie auf einer Ebene schwimmen, aber je weiter es sich entfernt, desto höher steigt es empor, bis es in der

Weitere Kostenlose Bücher