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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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dunstigen Atmosphäre verschwindet, die den übrigen Teil der Welt verhüllt.« Diese Atmosphäre war unwahrscheinlich dicht und phosphoreszierte Tag und Nacht,
so dass niemand je den Sternenhimmel sah. Die Tage, an denen man die Sonne gesehen hatte, waren in den Chroniken verzeichnet und bildeten die Grundlage zahlloser Versuche, eine Theorie des Weltlichts zu entwickeln.
    Maxim saß also in einer riesigen Falle. Um als Fremdplanetarier wirklichen Kontakt herstellen zu können, musste er die in Jahrtausenden gewachsenen, nun selbstverständlichen Vorstellungen buchstäblich umkrempeln. Dem verbreiteten Fluch »Massaraksch« nach zu urteilen, war das bereits versucht worden, denn er bedeutete wörtlich: »die Welt mit der Innenseite nach außen«. Außerdem hatte Gai eine weitere, rein mathematische Theorie erwähnt, die die Welt anders betrachtete: Sie war in alter Zeit entstanden und wurde anfangs von der offiziellen Religion verfolgt, hatte auch ihre Märtyrer. Durch die Arbeiten genialer Wissenschaftler erhielt sie im vergangenen Jahrhundert ihre mathematische Begründung, blieb aber weiterhin abstrakt - bis sie, wie die meisten Theorien, doch noch praktische Anwendung fand - in jüngster Vergangenheit, bei der Entwicklung der ballistischen Raketen.
    Mit diesen neuen Erkenntnissen überdachte Maxim noch einmal seine Lage und begriff, dass er all die Zeit als verrückt gegolten hatte und seine Mentogramme nicht ohne Grund in die schizoide »Wunderreise« aufgenommen worden waren. Wollte er nicht zu Nilpferd zurück, musste er von seiner außerplanetarischen Herkunft einstweilen schweigen. Das aber bedeutete, dass ihm die bewohnte Insel nicht würde helfen können und er nur auf sich selbst vertrauen durfte; den Nullsender musste er auf unbestimmte Zeit vertagen. Er würde hier für lange - Massaraksch! -, womöglich für immer festsitzen. Diese Hoffnungslosigkeit machte ihn schier verrückt. Aber dann riss er sich doch wieder zusammen und zwang sich, logisch zu denken. Mutter machte gewiss eine schwere Zeit durch; es musste schrecklich für sie sein - und allein das
nahm ihm jede Freude an der Logik. Verflucht sollte sie sein, diese zurückgebliebene, abgekapselte Welt! Überhaupt gab es nur zwei Wege: Erstens, dem Unmöglichen nachzutrauern und sich ohnmächtig zu grämen oder, zweitens, sich zusammenzureißen und zu leben. Wirklich zu leben, wie er es immer wollte: Freunde haben, Ziele anstreben, sich raufen, siegen, verlieren, Nackenschläge einstecken, sich revanchieren - einerlei, was, nur nicht in Verzweiflung die Hände ringen. Er hörte auf, über das Weltall zu sprechen und fragte Gai nach der Geschichte und der sozialen Struktur seiner bewohnten Insel.
    Aber Gai wusste wenig darüber. Er kannte die Geschichte seines Landes nur bruchstückhaft und besaß keinerlei Fachliteratur. Und auch in der Stadtbibliothek war nichts zu finden. Man konnte aber davon auszugehen, dass das Land, in dem sich Maxim befand, vor dem letzten, verheerenden Krieg bedeutend größer gewesen war. Anscheinend war es von einer kleinen Gruppe unfähiger Finanzleute und degenerierter Aristokraten regiert worden, die das Volk in die Armut getrieben hatten. Der Staatsapparat war durch Korruption zersetzt worden, und am Ende hatten sich die Machthaber auf einen großen, von den Nachbarn provozierten Kolonialkrieg eingelassen. Der Krieg erfasste den ganzen Planeten. Millionen und Abermillionen kamen ums Leben, Tausende von Städten wurden zerstört, kleinere Staaten hinweggefegt. Nicht nur im Land, sondern auf dem ganzen Planeten brach das Chaos aus. Es begannen Zeiten von bitterem Hunger und Epidemien. Es kam zu Volksaufständen, die die Unterdrücker mit Atomwaffen beantworteten. Das Land und die Welt näherten sich dem Untergang. Gerettet wurde die Situation von den Unbekannten Vätern - dem Anschein nach eine anonyme Gruppe von jungen Generalstabsoffizieren. Mit nur zwei Divisionen von Soldaten, die nicht im atomaren Fleischwolf landen wollten, hatten sie geputscht und die Macht übernommen. Das war
vor vierundzwanzig Jahren, und seitdem hatte sich die Lage stabilisiert. Es wurde kein Frieden geschlossen, aber der Krieg endete allmählich von selbst. Die anonymen Machthaber handelten entschlossen und stellten die Ordnung wieder halbwegs her, brachten mit harten Maßnahmen die Wirtschaft in Gang - zumindest in den zentralen Regionen - und machten das Land zu dem, was es jetzt war. Der Lebensstandard wuchs, der Alltag verlief

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