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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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nach der Operation gleich nach Hause fahren! Was schaust du denn so? Ich habe große Sehnsucht nach Rada. Du nicht? Wir bringen die Jungs zur Kaserne und brausen dann mit dem Lastwagen hin. Und dem Chauffeur geben wir frei.«
    Gai holte tief Luft, aber da schallte aus dem silbrigen Lautsprecherkasten fast direkt über ihren Köpfen die Stimme des diensthabenden Brigadeoffiziers: »Sechste Kompanie, auf dem Platz antreten! Achtung, sechste Kompanie …«
    Gai raunzte nur: »Anwärter Sim! Gespräch beenden! Marsch zum Antreten!«
    Maxim stürmte los, Gai aber hielt ihn noch am Lauf seiner Maschinenpistole zurück. »Ich bitte dich«, sagte er. »Wie alle! Benimm dich wie alle! Heute beobachtet dich der Herr Rittmeister persönlich.«
    Drei Minuten später stand die Kompanie. Es wurde schon dunkel, und über dem Platz flammten die Strahler auf. Hinter den Männern brummten monoton die Lastwagenmotoren, und wie stets vor einer Operation schritt der Herr Brigadegeneral in Begleitung des Herrn Rittmeisters Tschatschu schweigend die Reihen ab und musterte jeden einzelnen Gardisten. Er schritt ruhig, hatte die Augen zusammengekniffen und die Mundwinkel freundlich nach oben gezogen. Ohne ein Wort zu sagen, nickte er dann dem Herrn Rittmeister zu und entfernte sich. Rittmeister Tschatschu hinkte, die verkrüppelte Hand schwenkend, vor die Truppe und wandte den Männern sein dunkles, nahezu schwarzes Gesicht zu.
    »Gardisten!«, krächzte er mit einer Stimme, die Gai eine Gänsehaut verursachte. »Vor uns liegt eine wichtige Transaktion. Wir werden sie zuverlässig ausführen. Achtung … Kompanie! Aufsitzen! Korporal Gaal, zu mir!«

    Nachdem Gai herbeigelaufen war und Haltung angenommen hatte, sagte der Rittmeister leise: »Ihre Gruppe hat einen Spezialauftrag. Am Ankunftsort den Wagen nicht verlassen! Das Kommando übernehme ich.«

6
    Die Stoßdämpfer des Lastwagens waren erbärmlich, was man auf dem holprigen Kopfsteinpflaster umso mehr zu spüren bekam. Die Maschinenpistole zwischen den Knien, hielt Anwärter Maxim Korporal Gaal vorsorglich am Gurtkoppel fest: Einem so um seine Autorität besorgten Korporal stünde es schließlich schlecht zu Gesicht, über die Bänke zu segeln wie etwa der Anwärter Soisa. Gai hatte nichts gegen die Fürsorge seines Untergebenen, vielleicht aber hatte er sie auch gar nicht bemerkt. Seit dem Gespräch mit dem Rittmeister schien er sehr besorgt zu sein, und Maxim war froh, dass sie laut Einsatzplan zusammenblieben und er - falls nötig - würde helfen können.
    Die Lastwagen passierten das Zentraltheater und fuhren dann einige Zeit am Ufer des stinkenden Kanals »Neues Leben« entlang, bogen in die lange, zu dieser Stunde leere Fabrikstraße und bewegten sich kreuz und quer durch die gewundenen Gässchen einer Arbeitervorstadt, in der Maxim noch nie gewesen war. Dabei hatte es ihn schon in viele Ecken der Stadt verschlagen, und er kannte sich dort mittlerweile gut aus. Überhaupt hatte er in diesen etwas mehr als vierzig Tagen eine Menge gelernt und konnte endlich seine Lage einschätzen: Sie war weit weniger tröstlich und sehr viel merkwürdiger, als er bislang geglaubt hatte.
    Er hockte noch über der Lesefibel, als Gai unbedingt von ihm wissen wollte, woher er, Maxim, käme. Zeichnungen halfen
nicht; die besah sich Gai nur mit eigenartigem Lächeln und wiederholte: »Woher kommst du?« Da deutete Maxim gereizt zur Decke und sagte: »Vom Himmel.« Zu seiner Verwunderung fand Gai diese Erklärung völlig normal und überschüttete ihn mit Fragen. Viele seiner Worte deutete Maxim als Planetennamen des hiesigen Systems, doch dann zeigte ihm Gai eine Weltkarte in Merkatorprojektion und es stellte sich heraus, dass er keine Planeten, sondern Staaten auf der gegenüberliegenden Seite der Welt meinte. Maxim zuckte mit den Schultern, verwendete jede ihm bekannte Verneinung und machte sich daran, die Karte zu studieren, so dass das Gespräch fürs Erste abbrach.
    Am übernächsten Abend sahen Maxim und Rada fern. Gezeigt wurde etwas Seltsames: eine Art Film ohne Anfang und Ende, ohne fassbares Sujet, aber mit einer Unmenge von Mitwirkenden - ziemlich abstoßenden Personen, die, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, brutal handelten. Rada schaute interessiert zu, schrie manchmal auf, brach sogar zweimal in Tränen aus und packte Maxim am Ärmel. Ihm jedoch wurde das Spektakel schnell langweilig, und er wollte bei den Klängen der tragisch-düstren Musik schon einnicken, als plötzlich

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