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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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leicht in den Sack. Da wäre sogar mein Großvater ein Ass, ohne Arme und Beine.«
    Pandi war beleidigt.
    »Dein Großvater hätte sich flugs davongemacht, ohne Arme und Beine«, entgegnete er, »wenn er plötzlich in zwei Pistolenläufe geschaut hätte. Ich dachte schon, jetzt ist es aus mit dem Herrn Rittmeister.«
    »Aus«, äffte der Korporal ihn nach. »Rollt ihr erst mal zur Südgrenze. Und dann, in einem halben Jahr, werden wir sehen, wer sich flugs davongemacht hat.«
    Sie verließen die Kleiderkammer. Dann fragte Maxim so ehrerbietig er konnte (denn der alte Pandi mochte es, wenn man ihm Respekt zollte): »Herr Pandi, warum haben die Entarteten solche Schmerzen? Und alle gleichzeitig! Wie kommt das?«
    »Vor Angst«, antwortete Pandi und senkte wichtigtuerisch die Stimme. »Sind eben entartet, verstehst du? Musst mehr lesen, Mak! Es gibt eine Broschüre: ›Die Entarteten. Ihr Wesen und ihre Herkunft‹. Lies sie durch und merke es dir gut, sonst bist und bleibst du ein Dummkopf. Tapferkeit alleine reicht nicht weit.« Er schwieg eine Weile. »Wenn wir erregt, wütend oder erschrocken sind, so ist das nicht weiter tragisch. Denn uns bricht schlimmstenfalls der Schweiß aus, oder die Knie schlottern. Aber der Organismus der Entarteten ist unnormal,
eben entartet. Hat so einer Angst oder ist wütend auf jemanden, bekommt er furchtbare Schmerzen, im Kopf, aber auch im ganzen Körper. Bis zur Ohnmacht. Verstanden? Daran erkennen wir sie und können sie ergreifen. Nehmen sie hopp. Deine Handschuhe sind schön, würden mir genau passen. Was meinst du?«
    »Mir sind sie etwas eng, Herr Pandi«, klagte Maxim. »Tauschen wir: Sie bekommen diese und geben mir Ihre abgetragenen.«
    Pandi war sehr zufrieden. Maxim ebenso. Plötzlich kam ihm Fank in den Sinn, wie er sich im Auto krümmte, in Krämpfen wälzte. Und wie ihn die Gardepatrouille verhaftete. Nur - worüber konnte Fank so erschrocken gewesen sein? Oder auf wen wütend? Er hatte sich doch gar nicht aufgeregt, ruhig seinen Wagen gelenkt, vor sich hin gepfiffen. Irgendetwas wollte er gern. Wahrscheinlich rauchen. Er hatte sich noch umgedreht und die Streife entdeckt. Oder war das hinterher? Ja, er hatte es sehr eilig gehabt, aber der Möbelwagen hatte ihm den Weg versperrt. Vielleicht war er deshalb verärgert? Unsinn, was reime ich mir hier zusammen. Es gibt schließlich alle möglichen Arten von Anfällen. Und festgenommen wurde er wegen des Unfalls. Trotzdem wüsste ich gern, wohin er mich bringen wollte und wer er ist. Wenn ich ihn nur finden könnte.
    Maxim putzte und polierte seine Stiefel, brachte vor einem großen Spiegel seine Uniform in Ordnung, hängte sich die Maschinenpistole um, blickte noch einmal in den Spiegel - und da befahl Gai anzutreten.
    Pedantisch musterte er alle, prüfte noch einmal, ob sie ihre Pflichten kannten, und lief dann in die Schreibstube der Kompanie. Die Gardisten spielten inzwischen »Seife«: Es wurden drei Geschichten erzählt, die Maxim nicht verstand, weil er einige Wendungen nicht kannte, und dann rückten ihm die Jungs auf die Pelle. Er solle beichten, woher er seine Kraft
habe - in ihrer Gruppe ein schon gewohnter Scherz. Dann baten sie ihn, ein paar Münzen zwischen den Fingern zu Tütchen zu drehen, zum Andenken … Nun aber kam, von Gai begleitet, Rittmeister Tschatschu aus der Schreibstube. Er besah sich die Männer ebenfalls sehr genau, trat dann beiseite und sagte zu Gai: »Übernimm die Gruppe, Korporal«. Und sie marschierten los.
    Beim Hauptquartier angekommen, forderte der Rittmeister den Soldaten Pandi und den Anwärter Sim auf, ihm zu folgen. Gai und die anderen gingen weiter. In Begleitung des Rittmeisters und Pandis betrat Maxim einen verrauchten, nicht allzu großen Raum mit dicht verhängten Fenstern. Es roch nach Tabak und Kölnischwasser. In der hinteren Hälfte stand ein riesiger leerer Tisch und um ihn herum gepolsterte Stühle. An der Wand hing ein altes, nachgedunkeltes Schlachtengemälde: Pferde, enge Uniformen, blanke Säbel, viele Schwaden weißen Rauchs. Rechts neben der Tür, zehn Schritt vom Tisch entfernt, sah Maxim einen eisernen Hocker, dessen einziger Fuß mit mächtigen Schrauben fest im Boden verankert war.
    »Plätze einnehmen!«, kommandierte Tschatschu, ging zum Tisch und setzte sich.
    Pandi dirigierte Maxim sorgfältig rechts hinter den Hocker, bezog selbst links davon Posten und flüsterte: »Stillgestanden.« Beide erstarrten. Der Rittmeister hatte die Beine

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