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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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einen Bekannten herein: den Mann im weißen Kittel. Er trug Handschellen und hielt deshalb die Fäuste vorgestreckt. Seine Augen waren gerötet, das Gesicht aufgequollen. Er setzte sich und starrte auf das Bild über dem Brigadegeneral.
    »Sie heißen Gel Ketschef?«, fragte dieser.
    »Ja.«
    »Zahnarzt?«
    »War ich.«
    »In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem Zahnarzt Gobbi?«
    »Ich habe seine Praxis gekauft.«
    »Warum praktizieren Sie nicht?«

    »Weil ich mein Sprechzimmer verkauft habe.«
    »Warum?«
    »Ein Engpass«, antwortete Ketschef.
    »Was für eine Beziehung haben Sie zu Ordi Tader?«
    »Sie ist meine Frau.«
    »Kinder?«
    »Hatten wir. Einen Sohn.«
    »Wo ist er?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Was taten Sie während des Krieges?«
    »Ich habe gekämpft.«
    »Wo? Welche Funktion?«
    »Im Südwesten. Anfangs als Leiter des Feldlazaretts, später als Kommandeur einer Infanteriekompanie.«
    »Verwundungen? Orden?«
    »Beides.«
    »Weshalb haben Sie sich zu staatsfeindlicher Tätigkeit entschlossen?«
    »Weil die Weltgeschichte nie zuvor einen abscheulicheren Staat hervorgebracht hat«, sagte Ketschef. »Weil ich meine Frau und mein Kind geliebt habe. Weil ihr meine Freunde ermordet und mein Volk geschändet habt. Weil ich euch immer gehasst habe. Reicht das?«
    »Es reicht«, erwiderte der Brigadegeneral ruhig. »Es ist mehr als genug. Verraten Sie uns lieber, wie viel Ihnen Honti zahlt - oder bezahlt Sie Pandea?«
    Der Mann im weißen Kittel lachte auf. Es klang unheimlich: So könnte ein Toter lachen.
    »Lassen Sie die Komödie, Brigadegeneral. Was soll das …«
    »Sie sind der Leiter der Gruppe?«
    »Ja. War ich.«
    »Welche Mitglieder Ihrer Organisation können Sie nennen?«
    »Keins.«

    »Sind Sie sicher?«, fragte plötzlich der Zivilist.
    »Ja.«
    »Sehen Sie, Ketschef«, fuhr der Zivilist sanft fort. »Sie befinden sich in einer äußerst schwierigen Situation. Über Ihre Gruppe wissen wir alles. Sogar einiges über deren Verbindungen. Diese Informationen hat uns jemand zugespielt, und jetzt hängt es ganz allein von uns ab, welchen Namen dieser Jemand bekommt - Ketschef oder einen anderen …«
    Ketschef hatte den Kopf gesenkt und schwieg.
    »Sie!«, krächzte Rittmeister Tschatschu. »Sie, ein ehemaliger Offizier! Verstehen Sie, was wir Ihnen anbieten? Nicht das Leben, Massaraksch: die Ehre!«
    Ketschef lachte wieder, hüstelte, gab aber kein Wort von sich. Maxim spürte: Dieser Mann fürchtete nichts. Weder den Tod noch die Schande. Denn beides lag hinter ihm. Er war bereits tot und entehrt. Der Brigadegeneral zuckte mit den Schultern. Dann erhob er sich und verkündete, Gel Ketschef, fünfzig Jahre alt, verheiratet, Zahnarzt, werde entsprechend dem Gesetz über sozialen Gesundheitsschutz zur Liquidation verurteilt. Die Vollstreckung erfolge binnen achtundvierzig Stunden, Begnadigung sei möglich, falls der Verurteilte sich einverstanden erkläre auszusagen.
    Nachdem man Ketschef abgeführt hatte, wandte sich der Brigadegeneral unzufrieden an den Zivilen: »Ich verstehe dich nicht. Er hat doch bereitwillig geredet. Ein typischer Schwätzer, wie es bei euch so schön heißt. Ich versteh’s nicht …« Der Zivilist grinste. »Deshalb befehligst du ja auch eine Brigade, mein Bester, ich hingegen … eben bei uns.« - »Trotzdem«, nuschelte der Brigadegeneral gekränkt. »Ein Anführer einer Gruppe, der philosophiert, ich versteh’s nicht.« - »Aber mein Bester«, begann der Zivilist noch einmal, »hast du je einen philosophierenden Toten gesehen?« - »Unsinn …« - »Nein, im Ernst.« - »Du etwa?«, fragte der Brigadegeneral. »Ja, gerade erst«, sagte der Zivile gewichtig. »Und nicht zum ersten
Mal … ›Ich lebe, er ist tot - worüber sollen wir reden?‹ So steht’s, glaube ich, bei Werbliban?« In diesem Moment sprang Rittmeister Tschatschu auf, trat dicht an Maxim heran und fauchte von unten herauf: »Wie stehst du denn da, Anwärter! Wohin guckst du? Stillgestanden! Augen geradeaus! Den Blick fest!« Schwer atmend musterte er Maxim einige Sekunden, und seine Pupillen weiteten und verengten sich vor Wut. Dann kehrte er an seinen Platz zurück und griff nach einer Zigarette.
    »So«, ließ sich der Adjutant vernehmen. »Bleiben Ordi Tader, Memo Gramenu und noch zwei, die sich geweigert haben, ihre Namen zu nennen.«
    »Beginnen wir mit denen«, schlug der Zivilist vor. »Ruft sie herein.«
    »Nummer dreiundsiebzig-dreizehn«, sagte der Adjutant.
    Nummer dreiundsiebzig-dreizehn kam

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