Gesammelte Werke 1
holte die Gitarre aus dem Schrank und begann sie zu stimmen. Sofort schoben Rada und Mak den Tisch beiseite und stellten sich einander gegenüber. Gai schlug kräftige Akkorde an, klopfte den Takt und sah zu, wie sie tanzten. Ein schönes Paar, dachte er, doch es gab keinen Platz, wo sie hätten zusammenleben können. Heirateten sie, müsste Gai in die Kaserne ziehen, was aber nicht so schlimm wäre, denn viele Korporale wohnten dort. Doch Mak wirkte überhaupt nicht heiratslustig. Er behandelte Rada eher wie einen guten Freund, wenn auch zartfühlender, achtungsvoller. Rada hingegen war ganz sicher in ihn verliebt. Wie ihre Augen glänzten! In so einen Burschen musste man sich wohl einfach verlieben. Sogar die alte Madam Go, die schon weit über sechzig war, hatte es erwischt: Kam Mak den Flur entlang, öffnete sie die Tür, steckte ihren Schädel heraus und grinste über das ganze Gesicht. In der Tat, Mak war im ganzen Haus beliebt. Auch die Jungs mochten ihn. Nur der Herr Rittmeister behandelte ihn seltsam, obwohl auch er nicht leugnete, dass der Bursche ein Teufelskerl war.
Die beiden tanzten bis zum Umfallen. Dann ließ sich Mak Gais Gitarre geben, stimmte sie auf seine merkwürdige Weise und fing an, diese eigenartigen Gebirgslieder zu singen. So viele Lieder - und kein einziges war ihnen bekannt. Jedes Mal etwas Neues. Und seltsam: Obwohl sie nichts verstanden, war ihnen vom bloßen Zuhören mal zum Weinen und mal zum Lachen zumute. Einige Melodien hatten sich Rada schon eingeprägt, und sie versuchte jetzt mitzusummen. Besonders gefiel ihr ein Scherzlied (Mak hatte es übersetzt) von einem Mädchen, das auf einem Berg sitzt und auf seinen Freund wartet. Der aber kann einfach nicht zu ihr gelangen, denn erst hindert ihn das eine, dann das andere … Spiel und Gesang übertönten das Läuten an der Haustür. Gleich darauf klopfte es, und ins Zimmer stürmte der Bursche des Herrn Rittmeisters Tschatschu.
»Herr Korporal, gestatten zu melden!«, schnarrte der Gardist und schielte zu Rada.
Mak unterbrach sein Gitarrenspiel. Gai sagte: »Melden Sie!«
»Befehl vom Herrn Rittmeister: Sie und Anwärter Sim haben sofort in der Schreibstube der Kompanie zu erscheinen. Das Auto wartet unten.«
Gai sprang auf. »Wegtreten!«, rief er. »Gehen Sie zum Wagen, wir kommen nach. Zieh dich schnell an!«, drängte er Maxim.
Rada nahm die Gitarre in die Arme, behutsam wie einen Säugling, und stellte sich ans Fenster, das Gesicht abgewandt.
Gai und Mak zogen sich eilig an.
»Was meinst du, worum es geht?«, fragte Mak.
»Was weiß ich«, brummte Gai. »Vielleicht Probealarm.«
»Mir gefällt das nicht«, sagte Mak.
Gai sah ihn an. Dann schaltete er das Radio ein, vielleicht war dort etwas zu erfahren. Aber wie immer um diese Zeit, brachte man »Müßige Gespräche tatkräftiger Frauen«. Inzwischen hatten sie auch das Koppel umgeschnallt, und Gai murmelte: »Rada, wir gehen.«
»Geht«, erwiderte sie, ohne sich umzudrehen.
»Los, Mak!« Gai stülpte sich das Barett auf.
»Ruft an«, bat Rada. »Wenn es länger dauert, ruft unbedingt an.« Sie blickte immer noch aus dem Fenster.
Der Bursche des Rittmeisters öffnete Gai beflissen die Wagentür. Dann stiegen sie ein und fuhren los. Es bestand tatsächlich Grund zur Eile, denn der Fahrer raste mit eingeschalteter Sirene los und fuhr auf der Reservespur. Gai bedauerte, dass der Abend so geendet hatte; es war einer dieser seltenen, sehr schönen Abende zu Hause gewesen, gemütlich, sorglos. Aber so war das Gardistenleben. Nur ein paar Minuten nach der Flasche Bier, dem Pyjama und den Liedern zur Gitarre
kann es heißen: Panzer besteigen, schießen! So war das wunderbare Leben der Gardisten, und es war das beste von allen möglichen. Sie brauchten weder Freundinnen noch Ehefrauen, und Mak tat gut daran, Rada nicht zu heiraten, obwohl sie natürlich zu bedauern war. Macht nichts, dachte er, würde sie eben warten. Wenn sie ihn liebte, wartete sie.
Der Wagen rollte auf den Platz und bremste vor dem Kasernentor. Gai stieg schnell aus und lief die Stufen hinauf. Vor der Tür zur Schreibstube blieb er stehen, überprüfte den Sitz seines Baretts und der Gürtelschnalle, brachte Maxims Äußeres in Ordnung (Massaraksch! Immer stand ihm dieser Kragenknopf offen!) und klopfte. »Herein!«, krächzte die vertraute Stimme. Gai erstattete Meldung. Rittmeister Tschatschu saß in Mantel und Mütze an seinem Tisch, trank Kaffee und rauchte, die Granathülse vor ihm war voller
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