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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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gewesen.«
    Gai sah ihn verwundert an. Der Rittmeister grinste.
    »Was glotzt du denn wie das Schwein auf den Schinken? Dein Freund ist geflohen, desertiert! Er ist ein Feigling und Verräter! Klar, Soldat Gaal?«
    Gai war bestürzt. Weniger wegen Rittmeister Tschatschus Worten als durch seinen Ton. Der Herr Rittmeister war begeistert. Der Herr Rittmeister triumphierte. Der Herr Rittmeister strahlte, als hätte er das große Los gezogen. Unwillkürlich glitt Gais Blick in die Tiefe des Steinbruchs. Und da sah er Mak. Er kehrte zurück. Allein. Die Maschinenpistole baumelte am Riemen in seiner Hand.
    »Massaraksch!« Der Rittmeister hatte Mak jetzt auch entdeckt und schien verwirrt.
    Schweigend verfolgten sie, wie Mak über das Geröll balancierte und langsam näher kam, sahen seine ruhigen, gutmütigen Gesichtszüge, die seltsamen Augen - und in Gais Kopf kreiste alles: Schüsse waren nicht zu hören gewesen. Hatte Mak die Verurteilten etwa erwürgt oder mit dem Kolben erschlagen, er, eine Frau? Nein, Unsinn. Doch Schüsse hatte es nicht gegeben. Fünf Schritte vor ihnen blieb Mak stehen, blickte Rittmeister Tschatschu ins Gesicht und warf ihm die Maschinenpistole vor die Füße.

    »Leben Sie wohl, Herr Rittmeister«, sagte er. »Diese unglücklichen Menschen habe ich laufen lassen, und jetzt gehe ich auch. Hier ist Ihre Waffe, die Uniform.« Während er das Koppel löste, wandte er sich an Gai: »Das ist eine schmutzige Sache, Gai. Sie haben uns betrogen.«
    Er zog die Stiefel und den Overall aus, rollte alles zu einem Bündel zusammen und war jetzt so, wie Gai ihn zum ersten Mal gesehen hatte: an der Südgrenze, fast nackt, nur mit kurzen, silbrig glänzenden Shorts bekleidet, jetzt sogar barfuß. Er ging zum Wagen und legte das Bündel auf die Kühlerhaube. Gai erschrak. Dann sah er zu Rittmeister Tschatschu hinüber und erschrak noch mehr.
    »Herr Rittmeister!«, rief er. »Er ist verrückt! Er hat wieder …«
    »Anwärter Sim!«, blaffte der Rittmeister, die Hand an der Pistolentasche. »Steigen Sie in den Wagen! Sie sind verhaftet.«
    »Nein«, entgegnete Mak. »Sie irren. Ich bin frei. Ich bin hier, um Gai zu holen. Gai, komm! Sie haben dich reingelegt. Sie sind nicht anständig. Früher habe ich’s geahnt, jetzt bin ich sicher.«
    Gai schüttelte den Kopf. Er wollte etwas erklären, doch er fand weder Worte noch hatte er Zeit dazu. Der Rittmeister zog die Pistole. »Anwärter Sim! In den Wagen!«, schnauzte er.
    »Kommst du?«, fragte Mak.
    Wieder schüttelte Gai den Kopf. Er starrte auf die Waffe in Rittmeister Tschatschus Hand und dachte nur eins: Gleich würde Mak erschossen. Und er wusste nicht, was er tun sollte.
    »Na gut«, lenkte Mak ein. »Ich finde dich. Ich bringe Licht in diese Angelegenheit und finde dich. Dein Platz ist nicht hier. Gib Rada einen Kuss!«
    Er drehte sich um und ging davon, über die Steine, barfuß, und ebenso leicht wie zuvor in seinen Stiefeln. Gai zitterte
am ganzen Leib und blickte stumm auf Maks breiten Rücken; er wartete auf den Schuss, das schwarze kleine Loch unter dem linkem Schulterblatt.
    »Anwärter Sim!« Die Stimme des Rittmeisters klang unbeteiligt. »Ich befehle Ihnen umzukehren. Andernfalls schieße ich.«
    Mak hielt an, drehte sich noch einmal um.
    »Schießen?«, sagte er. »Auf mich? Warum? Aber das ist jetzt unwichtig. Geben Sie mir Ihre Waffe.«
    Der Herr Rittmeister zielte aus der Hüfte und richtete langsam die Mündung auf Mak.
    »Ich zähle bis drei. Setz dich ins Auto, Anwärter! Eins …«
    »Nun geben Sie mir schon die Pistole.« Mak näherte sich mit ausgestreckter Hand dem Rittmeister
    »Zwei!«, krächzte der Rittmeister.
    »Nicht!«, schrie Gai.
    Der Herr Rittmeister schoss. Mak stand schon nahe. Die Kugel traf ihn in die Schulter, und er fuhr zurück, als sei er auf ein Hindernis gestoßen.
    »Narr!«, sagte Mak. »Geben Sie Ihre Waffe her, Sie dummer, böser Narr!«
    Er blieb nicht stehen, sondern kam, die Hand nach der Pistole ausgestreckt, immer näher, und aus dem Loch in seiner Schulter quoll plötzlich Blut. Der Herr Rittmeister gab einen merkwürdigen Laut von sich, wich zurück und schoss dreimal, schnell nacheinander, direkt in die breite, braune Brust. Mak wurde nach hinten geschleudert, fiel auf den Rücken, sprang wieder auf, stürzte noch einmal, erhob sich halb - und der Rittmeister, dem vor Erregung die Knie eingeknickt waren und der halb am Boden saß, traf ihn mit noch drei Kugeln. Mak wälzte sich auf den Bauch. Dann lag er

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