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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strugatzki Boris
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immerfort an die Knie, um die Stöße abzufangen. Schließlich konnte er sich nicht mehr zurückhalten und hieb diesem dicken Kerl seinen Stiefel in die Rippen. Doch auch das half nicht; der Kerl versuchte, sich weiter festzuhalten. Sie fuhren noch eine Kurve, dann bremste der Wagen scharf und rollte langsam in einen Steinbruch. Der Herr Rittmeister schaltete den Motor aus und befahl: »Aussteigen!«

    Es war schon etwa sechs Uhr abends, im Gelände sammelte sich Abenddunst, die verwitterten Felsen schimmerten rosig. Früher hatte man hier Marmor gewonnen. Doch wer brauchte den jetzt noch …
    Bald würde es so weit sein. Mak war noch immer der ideale Soldat: keine überflüssige Bewegung, das Gesicht starr und gleichgültig, die Augen in Erwartung der Befehle auf den Vorgesetzten gerichtet. Der dicke Gefangene hielt sich wacker, würdevoll. Scherereien würde es mit ihm wohl nicht geben. Das Weib aber verlor zu guter Letzt doch noch die Fassung. Krampfhaft presste sie immer wieder die Fäuste gegeneinander, drückte sie an die Brust und ließ sie wieder sinken. Ganz ohne Hysterie wird es nicht abgehen, dachte Gai, aber zur Exekution werden wir sie wohl trotzdem nicht schleifen müssen.
    Der Herr Rittmeister steckte sich eine Zigarette an, schaute zum Himmel und wies Mak an: »Führe sie diesen Pfad entlang. Bei den Höhlen siehst du dann schon, wohin du sie stellen musst. Hinterher prüfst du auf jeden Fall, ob sie tot sind. Notfalls erledigst du sie mit einem Kontrollschuss. Weißt du, was das ist?«
    »Jawohl!«, antwortete Mak mit ungerührter Stimme.
    »Du lügst, du weißt es nicht. In den Kopf musst du treffen. Und nun los, Anwärter! Zurückkommen wirst du als Ordentlicher Soldat.«
    In diesem Moment ließ sich die Frau vernehmen: »Wenn wenigstens einer von euch ein Mensch ist … sagt es meiner Mutter … Entensiedlung Nummer zwei … ganz in der Nähe … Sie heißt …«
    »Erniedrige dich nicht!«, hörte man den tiefen Bass des dicken Mannes.
    »Sie heißt Illi Tader …«
    »Du sollst dich nicht erniedrigen!« Der Untersetzte hob die Stimme. Ohne auszuholen, schlug ihm Rittmeister Tschatschu
mit der Faust ins Gesicht. Der Gefangene verstummte, griff sich an die Wange und blickte den Rittmeister hasserfüllt an.
    »Los, Anwärter!«, wiederholte dieser.
    Mak wandte sich den Verurteilten zu, machte eine Bewegung mit seiner Maschinenpistole, und die beiden betraten den Pfad. Die Frau drehte sich noch einmal um und rief: »Entensiedlung zwei, Illi Tader!«
    Mak folgte ihnen langsam, die Maschinenpistole im Anschlag. Der Rittmeister öffnete die Wagentür, setzte sich seitlich auf den Fahrersitz und streckte die Beine aus.
    »Na, dann warten wir ein Viertelstündchen.«
    »Jawohl, Herr Rittmeister«, antwortete Gai mechanisch.
    Er folgte Mak mit den Augen, bis die Gruppe hinter einem Felsvorsprung verschwunden war. Auf dem Rückweg kaufen wir eine Flasche Schnaps, dachte er. Soll er sich betrinken. Man sagt, das hilft.
    »Du darfst rauchen, Korporal«, krächzte der Rittmeister.
    »Danke, Herr Rittmeister, ich rauche nicht.«
    Rittmeister Tschatschu spuckte weit aus. »Fürchtest du nicht, dein Freund könnte dich enttäuschen?«
    »Nein, überhaupt nicht«, erwiderte Gai unsicher. »Obwohl es mir, wenn Sie erlauben, sehr leidtut, dass ihm die Frau zufiel. Er ist ein Gebirgler, und bei denen …«
    »Er ist so wenig Gebirgler wie du und ich«, unterbrach ihn Rittmeister Tschatschu. »Und hier geht es auch nicht um Frauen. Übrigens, warten wir ab. Womit wart ihr beschäftigt, als ich euch holen ließ?«
    »Wir haben gesungen, Herr Rittmeister.«
    »Und was habt ihr gesungen?«
    »Gebirgslieder, Herr Rittmeister. Er kennt viele.«
    Rittmeister Tschatschu stieg aus und ging auf dem Pfad hin und her. Er sagte nichts mehr. Nach etwa zehn Minuten fing er an, den »Marsch« zu pfeifen. Gai wartete auf die
Schüsse, doch sie fielen nicht. Langsam wurde er unruhig. Mak zu entkommen war unvorstellbar, ihn zu entwaffnen ebenso. Warum also schoss er nicht? Vielleicht hatte er die Gefangenen weiter geführt als bis zur üblichen Stelle? Dort stank es, die Gräber für die Hingerichteten waren flach, und Mak hatte einen sehr gut entwickelten Geruchssinn. Der brachte es fertig, einzig und allein vor Ekel noch fünf Kilometer weiter zu gehen.
    »So …« Der Herr Rittmeister blieb stehen. »Das war’s, Korporal Gaal! Ich fürchte, deinen Freund sehen wir nicht wieder. Und du bist vermutlich die längste Zeit Korporal

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