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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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haben. Sie aber hat einen Mann gehabt, der als Arzt in der ganzen Welt bekannt war, und wahrscheinlich möchte sie aus dem Feuermaul auch einen berühmten Mann machen: Jedenfalls besteht die Gefahr, daß deine Kusine die Führung verliert und der Salon der Frau Drangsal sie übernimmt, wo ohnehin alle berühmten Leute auch verkehren.»
    Der General trocknete sich den Schweiß von der Stirn; Ulrich fand die Aussicht aber gar nicht schlimm.
    «Na, weißt du!» tadelte Stumm. «Du verehrst doch auch deine Kusine, wie kannst du so sprechen! Finden Gnädige nicht auch, daß das von ihm hervorragend treulos und undankbar gegen eine begeisternde Frau gehandelt ist?!» wandte er sein Wort an Agathe.
    «Ich kenne meine Kusine gar nicht» gestand sie ihm ein.
    «Oh!» sagte Stumm, und mit Worten, in denen sich ritterliche Absicht mit unbeabsichtigter Unritterlichkeit zu einem dunklen Zugeständnis an Agathe mischten, fügte er hinzu: «Sie hat freilich in der letzten Zeit etwas nachgelassen!»
    Weder Ulrich noch sie antwortete etwas darauf, und der General hatte das Gefühl, daß er seine Worte erklären müsse. «Und du weißt ja auch warum!» sagte er beziehungsvoll zu Ulrich. Er mißbilligte die Beschäftigung mit der Sexualwissenschaft, durch die Diotimas Geist von der Parallelaktion abgezogen wurde, und machte sich Sorgen, weil sich das Verhältnis zu Arnheim nicht besserte; aber er wußte nicht, wieweit er sich getrauen dürfe, vor Agathe von solchen Angelegenheiten zu sprechen, und deren Miene war zuletzt immer kühler geworden. Ulrich dagegen erwiderte ruhig: «Du kommst wohl mit deiner Ölgeschichte nicht vorwärts, wenn unsere Diotima nicht mehr ihren alten Einfluß auf Arnheim hat?»
    Stumm machte eine kläglich beschwörende Gebärde, als müßte er Ulrich an einem Witz hindern, der vor einer Dame unpassend sei, sah ihm aber zugleich mit warnender Schärfe ins Auge. Er fand auch die Kraft, seinen unbehilflichen Leib mit jugendlicher Schnelle zu erheben, und zog den Waffenrock glatt. Soviel war ihm von seinem ursprünglichen Mißtrauen gegen Agathes Herkunft noch verblieben, daß er nicht die Geheimnisse des Kriegsministeriums vor ihr preisgeben wollte. Erst im Vorzimmer, wohin ihn Ulrich geleitete, klammerte er sich an dessen Arm fest, flüsterte lächelnd aus heiserem Hals: «Um Gotteswillen, red doch nicht offenen Landesverrat!» und schärfte ihm ein, daß vor einem Dritten, und wenn das selbst die eigene Schwester wäre, kein Wort über die Ölfelder verlauten dürfe. «Schon gut» versicherte Ulrich. «Aber es ist ja meine Zwillingsschwester.» «Auch vor einer Zwillingsschwester nicht!» beteuerte der General, dem schon die Schwester so unglaubwürdig vorgekommen war, daß ihn die Zwillingsschwester nicht mehr aus dem Konzept brachte: «Versprich es mir!» «Es nützt nichts,» steigerte sich Ulrich «wenn du mir dieses Versprechen abnimmst, wir sind ja Siamesische Zwillinge; verstehst du?» Nun begriff Stumm allerdings, daß ihn Ulrich in seiner Art, die nie zu einem einfachen Ja zu bringen war, zum besten habe. «Du hast manchmal schon bessere Scherze gemacht, als einer so entzückenden Frau, und wenn es zehnmal deine Schwester ist, eine solche Unappetitlichkeit anzudichten, wie daß sie mit dir verwachsen sein soll!» verwies er es ihm. Aber weil seine mißtrauische Erregung gegen die Zurückgezogenheit, in der er Ulrich vorgefunden hatte, neu berührt worden war, schloß er doch noch einige Fragen daran, die dessen Treiben prüfen sollten: War der neue Sekretär schon bei dir? Bist du bei Diotima gewesen? Hast du dein Versprechen erfüllt, zum Leinsdorf zu gehn? Weißt du jetzt, was zwischen deiner Kusine und Arnheim los ist? Da er von alldem natürlich unterrichtet war, überwachte der rundliche Zweifler damit Ulrichs Wahrheitsliebe, und das Ergebnis befriedigte ihn. «Also dann tu mir nur den Gefallen und komm zu der Schicksalssitzung nicht zu spät» bat er ihn, während er, noch etwas atemlos von der bezwungenen Durchfahrt durch die Ärmel, den Mantel zuknöpfte. «Ich werde dich vorher noch einmal anrufen und dann mit meinem Wagen abholen, das wird das beste sein!»
    «Wann soll denn diese Langweile stattfinden?» fragte Ulrich nicht gerade bereitwillig.
    «Na, ich denke, so in vierzehn Tagen» meinte der General. «Wir wollen ja die andere Partei zu Diotima bringen, aber der Arnheim soll dabei sein, und der ist noch verreist.» Er klopfte mit einem Finger auf das goldene aus der Manteltasche

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