Gesammelte Werke
Zusammenhang gewöhnlich eine etwas ungewisse Meinung verknüpft, nach der er das Erlebnis oder die erlebte Seite der Triebhandlung und der ins Handeln gesetzten Triebe sein soll.
Betont oder leise wird dabei meist auch vorausgesetzt, daß alle menschlichen Handlungen Triebhandlungen seien, oder Verbindungen zwischen solchen, und alle unsere Gefühle Affekte oder Teile oder Zusammensetzungen von Affekten. Ich habe heute mehrere Lehrbücher der medizinischen Psychologie durchblättert, um mein Gedächtnis aufzufrischen, aber in ihrer aller Sachverzeichnissen ist das Wort Gefühl auch nicht ein einzigesmal vorgekommen, und es ist wahrhaftig keine geringe Eigenheit einer Gefühlspsychologie, wenn in ihr keine Gefühle vorkommen!»
«So sehr überwiegt noch jetzt in manchen Kreisen eine mehr oder minder betonte Absicht, die zu nichts führende geistige Betrachtung der Seele durch naturwissenschaftliche Begriffe zu ersetzen, die aufs äußerste handgreiflich sein sollen. Und wie man es anfangs am liebsten gesehen hätte, daß die Gefühle nichts als Empfindungen in den Eingeweiden und Gelenken wären, und in der Folge Behauptungen entstanden sind wie die, daß die Furcht aus beschleunigter Herztätigkeit und flachem Atem bestünde, oder daß das Denken ein inneres Sprechen, also eigentlich eine Kehlkopfreizung wäre, steht heute die geläuterte Absicht in Ansehen und Ehren, das gesamte innere Leben auf Reflexbögen und ähnliches zurückzuführen, und gilt beispielsweise einer großen und erfolgreichen Schule als die einzige erlaubte Aufgabe der Seelenerklärung.
Mag also auch die breite, womöglich eisern-automatische, Verankerung im Naturreich das wissenschaftliche Ziel sein, so mischt sich doch ebenfalls ein eigentümlicher Überschwang hinein, der sich ungefähr durch den Satz ausdrücken ließe: was niedrig steht, steht fest. Das ist einmal, bei der Überwindung der theologischen Naturphilosophie, ein Überschwang der Vereinigung gewesen, eine ‹Spekulation à la baisse in menschlichen Werte›. Der Mensch hat sich lieber als einen Faden im Gewebe des Weltstoffes sehen wollen denn als einen auf diesem Teppich Stehenden; und es läßt sich gut verstehen, daß auch die Seelenlehre, als sie, nachzüglerisch lärmend, in ihre materialistischen Flegeljahre eintrat, ein luziferisches, herabsetzendes Verlangen nach Seelenlosigkeit abbekommen hat. Das ist ihr später von allen frommen Feinden naturwissenschaftlichen Denkens gotteshausmeisterlich übelgenommen worden, aber seinem heimlichsten Wesen nach ist es doch nichts gewesen als eine gutartig düstere Romantik, eine gekränkte Kinderliebe zu Gott, und darum auch zu seinem Ebenbild, die in dessen Mißhandlung unbewußt noch heute nachwirkt.»
«Doch es ist immer gefährlich, wenn eine Ideenquelle in Vergessenheit gerät, ohne daß es bemerkt wird, und so hat sich manches, was bloß davon seine unbefangene Gewißheit empfangen hatte, in der medizinischen Psychologie ebenso unbefangen auch weiter erhalten, woraus stellenweise ein vernachlässigter Zustand entstanden ist, an dem gerade die grundlegenden Begriffe, und dann nicht zuletzt die Begriffe Trieb, Affekt und Triebhandlung, teilhaben. Schon die Frage, was ein Trieb sei und welche oder wieviel Triebe es gebe, wird nicht nur ganz ungleich beantwortet, sondern es geschieht auch ohne alles Zagen. Ich habe eine Darstellung vor mir gehabt, worin die ‹Triebgruppen› der Nahrungsaufnahme, der Sexualität und des Schutzes vor Gefahr unterschieden worden sind; eine andere, die ich mit ihr verglich, hat einen Lebenstrieb, einen Geltungstrieb und fünf andere angeführt; die Psychoanalyse, die nebenbei wohl auch als Triebpsychologie bezeichnet werden darf, schien lange Zeit nur einen einzigen Trieb zu kennen; und so geht es weiter. Auch das Verhältnis zwischen Triebhandlung und Affekt ist mit ebenso großen Verschiedenheiten bestimmt worden: Wohl heißt es gewöhnlich in Übereinstimmung, daß der Affekt das ‹Erlebnis› der Triebhandlung sei; aber ob dabei die ganze Triebhandlung als Affekt erlebt werde, also auch das äußere Verhalten, oder ob nur das innere Geschehen, oder ob Teile von ihm, oder Teile des äußeren und inneren Vorgangs in einer besonderen Vereinigung, davon wird bald das eine, bald das andere behauptet und manchmal beides nebeneinander. Nicht einmal, was ich zuvor aus dem Gedächtnis ohne Einwand niedergeschrieben habe, daß eine Triebhandlung ‹ohne Absicht und Überlegung› geschehe, stimmt in
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