Gesammelte Werke
bringen, wohin du willst. Wer auf Stein bauen will, muß sich der Gewalt und der Begierden bedienen. Dann wird der Mensch plötzlich eindeutig, berechenbar, fest, und was du mit ihm erlebst, wiederholt sich überall in der gleichen Weise. Mit der Güte kannst du nicht rechnen. Mit den schlechten Eigenschaften kannst du rechnen. Gott ist wunderbar, mein Kind, er hat uns die schlechten Eigenschaften gegeben, damit wir zu einer Ordnung kommen.»
(Nachtrag: Und trotz allem Idealist! einfügen)
«Aber dann wäre die Ordnung der Welt nichts als dressierte Niedrigkeit!» flammte Gerda auf.
«Du bist klug! Vielleicht ist es so? Aber wer kann das wissen?! Jedenfalls setze ich einem Menschen nicht das Bajonett auf die Brust, um ihn tun zu lassen, was er richtig findet. Verfolgst du die Zeitungen? Ich bekomme noch ausländische Blätter, obgleich das schon anfängt Schwierigkeiten zu machen. Bei uns und draußen reden sie die gleichen Sachen. In die Schraube nehmen. Die Schraube fest anziehen. Schraubenpolitik kaltblütig fortsetzen. Bei Anwendung der ‹starken Methode› vor zerbrochenen Fensterscheiben nicht zurückscheun. – So reden sie bei uns, und draußen nicht viel anders. Sie haben, glaube ich, auch schon das Standrecht verhängt, und wenn wir in die Kriegszone kommen sollten, werden wir mit dem Galgen bedroht. Das ist die starke Methode. Ich begreife ja, daß sie dir Eindruck macht. Sie ist reinlich, exakt und dem Geschwätz abhold. Sie befähigt die Nation zu etwas Großem, indem sie jeden einzelnen, der ihr angehört, wie einen Hund behandelt!» Leo Fischel lächelte.
Gerda schüttelte entschieden, aber freundlich langsam ihren zerzausten Kopf.
«Du mußt dir das klar machen» setzte ihr Fischel weiter zu. «Der Industriellenverband, wenn er eine bürgerliche Gegenpartei der Arbeiter mit einem Wahlfonds ausstattete, oder meine frühere Bank, wenn sie sich irgendetwas durch Geld richtete, haben nie etwas anderes getan. Überhaupt kommt ein Geschäft nur so zustande, daß ich einen anderen entweder zwinge, mir darin entgegenzukommen, weil ihm sonst ein Schaden droht, oder daß ich ihm den Eindruck mache, ein gutes Geschäft vor sich zu haben; dann überliste ich ihn meistens, und das ist auch nur eine Form von meiner Gewalt über ihn. Aber wie fein und anpassungsfähig ist diese Gewalt! Schöpferisch und geschmeidig ist sie. Das Geld gibt dem Menschen Maß. Es ist geordnete Ichsucht. Es ist die großartigste Organisation der Ichsucht, eine schöpferische Organisation, aufgebaut auf einer richtigen Baissespekulationsidee!»
Gerda hatte ihrem Vater zugehört, aber in ihrem Kopf summten ihre eigenen Gedanken. Sie antwortete: «Papa, ich habe nicht alles verstanden, doch wirst du sicher recht haben. Aber du siehst das natürlich als ein Rationalist an und für mich ist gerade das Irrationale (über alle Berechnung Hinausgehende) an dem, was jetzt geschieht, das Bezaubernde!»
«Was heißt irrational?!» protestierte Generaldirektor Fischel. «Du willst damit wohl sagen, unlogisch und unberechenbar und wild, wie man manchmal im Traum ist? Ich kann dir darauf nur sagen, kaufen und verkaufen ist wie Krieg; du mußt berechnen, und du kannst berechnen: aber zum Schluß entscheidet auch da der Wille, der Mut, die Person oder wie du es sagst, das Irrationale. Nein, mein Kind» schloß er «das Geld ist Selbstsucht ins Verhältnis zur Tüchtigkeit gebracht. Ihr versucht jetzt eine andere Regulation der Selbstsucht. Sie ist nicht neu, ich anerkenne sie, sie ist verwandt. Aber abwarten, wie sie wirkt! Das Kapital ist eine seit Jahrhunderten bewährte Organisation der menschlichen Kräfte, nach der Fähigkeit, Geld zu schaffen; du wirst sehen, wo sein Einfluß verdrängt wird, springt Vorteilsdienerei, Willkür, Protektion und Unüberlegtheit. Du kannst von mir aus, wenn du willst, das Geld abschaffen, aber du wirst nicht abschaffen die Übermacht desjenigen, der die Vorteile in der Hand hat. Nur wirst du einen, der nicht mit ihnen umgehen kann, an die Stelle dessen setzen, der es gekonnt hat! Denn du irrst, wenn du glaubst, daß das Geld die Ursache unserer Ichsucht ist, es ist ihre Folge.»
«Ich glaube das ja gar nicht, Papa» sagte Gerda bescheiden. «Ich sage nur, was jetzt geschieht –»
«Und noch dazu» unterbrach sie Fischel «ist es ihre vernünftigste Folge!»
«– was jetzt geschieht,» setzte Gerda ihren Satz weiter fort «erhebt über die Vernunft. So wie ein Gedicht oder die Liebe über die Händel der
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