Gesammelte Werke
nötig, die Utopie der induktiven Gesinnung in der Gegend der Tagebuch-Kapitel schon bis ins letzte zu beherrschen, wohl aber ist es nötig, sie in den maßgeblichen großen Zügen zu kennen.
Schema für die Behandlung der Utopie der induktiven Gesinnung:
Grundsätzliche Trennung: 1) Induktive Gesinnung für die wenigen 2) Induktive Gesinnung für die vielen.
1) kommt hinaus auf Ulrichs Geniemoral, die er auf die Menschheit ausdehnt. Sie enthält in sich eine Reihe eigener Probleme. So das nach einem zureichenden Kriterium, das ihrer Möglichkeit, Ordnungsproblem, Problem ihres Archimedischen Punktes und so weiter.
2) Davon ist schon gegeben: a) in der Zeitschilderung die zwischen Geist und Wirklichkeit bestehenden Schwierigkeiten; sie wären zusammenzufassen und dann zu erproben, wie weit sie sich durch die induktive Gesinnung beheben lassen. b) Das, was an der bisherigen Beschreibung der induktiven Gesinnung für alle gilt, c) Zerstreute Ansätze zu einer Sozialpsychologie, eventuell -metaphysik. Ist gleichfalls zusammenzufassen. d) ist zu berücksichtigen und zu fragen, welche Bedeutung die Probleme von 1) in der Anwendung auf 2) annehmen. e) ist vorerst unabhängig davon eine Vorstellung von 2) zu schaffen.
b) Also nächste Aufgabe: Grundnotizen einer Utopie der induktiven Gesinnung für die vielen: Es ist nicht das Wichtigste, Geist zu produzieren, sondern Nahrung, Kleidung, Schutz, Ordnung: das gilt heute noch immer von der Lage der Menschheit. Wir sind noch immer das gefährdete und sich selbst gefährdende Tier. Ebenso wichtig ist es, die für Nahrung, Kleidung und so weiter nötigen Grundsätze zu produzieren. Nennen wir es in Anlehnung an II36 «den Geist der Notdurft». (Die Führer sind aber auch nicht aus dem Geist der Notdurft erstanden, sondern sie haben sich selbst gemacht.)
Diesem Zweck dienten (und dienen in der Hauptsache noch) die historischen Wirklichkeits- und Idealbildungen. Also: Herrschaft, Handel, Kirchen u. a. Fraglich n b., ob auch Kriege? Nicht übersehen darf werden, daß auch die Ideale und Ideologien diesem Zweck dienen. Heute herrscht beinahe die Auffassung vor, daß sie nur zu diesem Zweck da seien; darin ist der historische Materialismus mit der nationalsozialistischen Propagandatechnik einig.
Es hat sich ein merkwürdiger Zustand ergeben. Über das von Notdurft und Wille Geforderte hinaus erhebt der Geist eigene Ansprüche, und niemand kann sagen, wo sie anfangen und aufhören berechtigt zu sein.
Außerdem sind die der Notdurft dienenden Grundsätze schwankend geworden. Entgegengesetzte materielle Interessen haben entgegengesetzte Ideologien produziert, es hat eine gegenseitige Zersetzung Platz gegriffen.
Außerdem neigen die der Notdurft dienenden Kräfte (meist sind es egoistische, die Altruismus, Einigkeit und andere soziale Tugenden nur von den Unterworfenen oder Geführten fordern) zur Entartung. Feudalismus, Absolutismus, Kapitalismus. Auch wenn sie nicht entarten (wie vielleicht der Absolutismus der Fürsten der Goethezeit), gelangen sie nach einiger Besitzdauer (und Erlöschen der Triebkräfte, des geschichtlichen Appetits) zum Erlöschen. (Glaube darf nur eine Stunde alt werden. Streben nach einem Zustand, der die Gefühle aus sich erneut. Das Leben ist eine dauernde Oszillation zwischen Verlangen und Überdruß –––––, u. a. mit seinen Beziehungen zu den scheinbar abwegigen Fragestellungen Ulrichs.)
Vorläufige Stellung: Eine andere Welt ... beherrscht von den Diskussionen, die Ulrich nicht interessieren. Er leugnet ihre Wichtigkeit nicht. Obwohl diese Diskussionen entschieden zu sehr im Übergewicht sind. Er hat aber einen «Feuerkern», den er bewahren muß. Ulrich am Ende seiner Überlegungen: («Man müßte an allen Ecken beginnen, man weiß nicht wo. Gefühl der Verlassenheit, das zu ‹anderer Zustand›-Experiment führt.») Auf diese Welt hat eine Schwankung des Baumwollpreises, eine Senkung des Mehlpreises mehr Einfluß als eine Idee. Ulrich widerstritt dem nicht. Er ist nur gegen die Vermengung. Aber zum Beispiel Diotima widerstreitet dem, verachtet es! Man könnte trennen zwischen den Gedanken (und Problemen) der Not (ihre Überlegenheit besteht in dem à l b.-Motiv, daß die schönsten Ideen gegen Kälte oder einen wilden Stier ohnmächtig sind. Ohnmacht der Ideen vielleicht auch ein Motiv für Schmeißer) und denen des maximalen Anspruchs, des Laboratoriums, der «fortgesetzten Schöpfung» (wie man sagen könnte) u. a. Das gibt zwei
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