Gesammelte Werke
Verbindung mit großen Dingen. — Gegenmittel wäre Askese. Ist der Fachmann aber nicht schon ein Asket?) Man darf aber auch hinzufügen: nicht nur durch die Macht, sondern mehr noch durch ihren «Besitz» tritt die Veränderung ein. Ähnliches Verhältnis wie Liebe vor und nach dem dauernden Besitz. Es liegt im Begehren etwas, das gut macht, das fruchtbar macht und so weiter. (Auch ein Ressentiment aber liegt im Begehren. In der Sozialdemokratie zum Beispiel trat beides nebeneinander zu Tage.) Die Ursache der Kriegsperiodik kann unabhängig sein von dem Inhalt der Ideologie. Jede Ideologie, auch die pazifistische, führt zum Krieg. Krieg als Flucht aus dem Frieden. Negativwerden der Ideologien und des Lebens. Das Böse als Movens der Welt. Die Leere jedes irdischen Himmels und so weiter. Die Macht könnte aber auch eine positive Attraktion sein. Etwa: Ein Volk macht Geschichte, wenn es Machtmenschen produziert. Oder: Die Produktion von Machtmenschen, die alles ihren Zwecken beugen, ist der Trick der Menschheit, ihre Zwecke zu erfüllen. So Nietzsche. Der Friede wäre dann nur als Erntezeit der Macht berechtigt, ansonsten ein Verfall. Die Nachteile dieser Auffassung folgen wieder aus Verbindung mit großen Dingen. Die Macht macht steril. Das Erstarren der Macht ist noch ärger als das eines anderen Antriebs. Macht als geschichtliches Movens ist äußerst unökonomisch. Kurze Blütezeiten, lange des Streites. (Aber hat sich nicht alle Kultur nur in kurzen Blütezeiten entfaltet? Doch soll ja gerade das geändert werden.) Positiv wirken die hauptsächlich von Nietzsche beschriebenen Tugenden der Macht. Stolz, Härte, Ausdauer, Mut, Geltenlassen, Neidfreiheit, Großzügigkeit, Gelassenheit und so weiter. Meist sind das auch Tugenden des Geistes. Siehe die Entwicklung des europäischen Geistes aus dem Kriegergeist. (Siehe die Entmilitarisierung des Europäers seit dem 16. Jahrhundert.) Diesem wurde (nach Nietzsche) das fremde, vergiftende Element des Christentums zugesetzt. – Es ergeben sich die Fragen: Ist die Sublimation möglich oder bedarf sie zeitweiligen Nachschubs aus dem substantiellen Machtbereich? Ist ein Ausgleich zwischen den beiden Konstituvemien des Geistes möglich? Also doch eine Synthese der Kultur? Kann ich mir etwas ausdenken? Ende ich mit der Unvermeidlichkeit des «Bösen»? Soll man es also lieben? Vielleicht ergibt sich eine Lösung aus der statistischen Auffassung? ––––
Zusatz 7: Die Probleme der Not sind unschöpferisch und der Geist ist ein blühender Baum, der beschnitten werden muß (so Ulrichs Überzeugung. Unbeschnitten wird er zum Café Central.) Letzteres ist die Rechtfertigung der Machtideologie: die nötige Beschneidung könnte aber auch in einer neu konzipierten Moral liegen? Eine Antwort: Es liegt wahrscheinlich wirklich in der Natur des Geistes, daß ihm die Grenzen von außen gesetzt werden müssen. So durch die Tatsachen, mit denen er übereinstimmen muß. Allgemeiner durch die «Wahrheit», die sozusagen eine Terrorgruppe innerhalb des Geistes ist, ein sehr kleiner Kreis von fester Disziplin und mit weiter Ausstrahlung. Aber auch die Entwicklung der Tatsachenwissenschaften ist historisch bestimmt und durch allerhand Zufälle. Vollends, wo statt Verstand der «Geist» im engeren Sinn dominiert, also der Verstand-Gefühl-Komplex, gelten die nach Bleuler konzipierten Regeln über Schaltkraft der Affekte und so weiter.
Die Möglichkeiten der Neuordnung, an die Ulrich denkt sind:
1) Die geschlossene Ideologie durch eine offene ersetzen. Die drei guten Wahrscheinlichkeiten anstelle der Wahrheit, das offene System
2) der offenen Ideologie doch ein oberstes Gesetz geben: Induktion als Zielsetzung, G. s.
3) den Geist nehmen, wie er ist; als etwas Quellendes, Blühendes, das zu keinen festen Resultaten kommt. Das führt letzten Endes zur Utopie des anderen Lebens.
Nachtrag: Utopie des motivierten Lebens und Utopie des «anderen Zustand» wird ab Tagebuch-Gruppe der Erledigung zugeführt. Als letztes bleibt – in Umkehrung der Reihenfolge – die der induktiven Gesinnung, also des wirklichen Lebens, übrig! Mit ihr schließt das Buch.
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Anhang – Nachgelassene Fragmente
1
[Zum «Problemaufbau»]
[Studien]
Aufbau des zweiten Teils von Band II im Groben —
15. III. 32
Grundidee: Es hat sich herausgestellt, daß der erste Teil zu sehr belastet würde, wenn auch noch auf die in Band I aufgeworfenen Probleme Rücksicht genommen werden müßte. Anderseits lassen sich
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