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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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Lukácsschen Terminologie und erscheint schon im ersten Satz, in positiver Verbindung mit der »philosophischen Öffentlichkeit« (37), deren ohne die leiseste Ironie gedacht wird. Lukács bringt es über sich, von den »besten Traditionen des Humanismus« (38) zu reden, und ex cathedra zu verkünden: »Kehren wir zur Frage des ›Anfänglichen‹ zurück« (40). Marx wird nachgerühmt, er habe die Grundintention der Menschen der kapitalistischen Gesellschaft in ihrer »wirklichen, objektiven Gegenständlichkeit aufgedeckt« (42) – als ob es eine unwirkliche und unobjektive Gegenständlichkeit gäbe. Der Begriff der Mystik erscheint als Schimpfwort bei dem gleichen Autor, der einmal die Ironie als negative Mystik bestimmte. Der Dialektiker sagt entschuldigend: »Es klingt vielleicht im ersten Augenblick paradox« (40). Er scheint durchaus zu verkennen, daß die Kritik des Irrationalismus nicht identisch ist mit einer Annahme der herrschenden Wissenschaft als solcher, die sich im Sprachgestus des Einverständnisses ausdrückt, und daß die Deformation des Bewußtseins unter der herrschenden szientifischen Arbeitsteilung nicht minder zur Kritik steht als die Verleugnung des Bewußtseins durch jene, die dem arbeitsteiligen Denken entrinnen wollen, ohne das Moment der objektiven Notwendigkeit daran miteinzusetzen. Die hemdsärmelige Autorität der bürgerlichen Wissenschaft, deren Agenten unter sich einig sind, wird als ›Erbe‹ übernommen, um dem zur Staatsphilosophie verkehrten Marxismus die Färbung zu verleihen, vernünftige und einflußreiche Männer und Organisationen stünden dahinter. Dabei aber benimmt sich die Sprache in einer Weise, die zwar wenig mit den »besten Traditionen des Humanismus«, um so mehr aber mit der kaltschnäuzigen Nomenklatur von Verwaltungsfunktionären zu tun hat. Wenn Lukács, mit allem Grund, gegen die verblasene Lüge von der Eigentlichkeit der Jugend angeht, die als abscheuliches Residuum der Jugendbewegung immer noch in Heideggers weihevollen Expektorationen herumgeistert, so sagt er von den jungen Deutschen, die an Hitlers Feldzügen teilnahmen, daß sie »beiläufig gesagt, ... im besten Fall, Zeugen, passive Teilnehmer der Raub- und Mordtaten, der Vergewaltigungen von Frauen und Kindern etc. seitens der Hitlerarmee waren« (39). Der »beste Fall« ist ein blutiger Witz, das Etc. nach den Vergewaltigungen aber, gefolgt von dem bürokratischen »seitens«, tut durch die Unmenschlichkeit der Rede den Opfern im Begriff nochmals an, was die Faschistenhorden in der Realität verübten. Es steht dahin, ob die Greuel, welche die deutsche Armee beging, übertrafen, was der Militarismus überall anrichtet, solange nicht der letzte Marschall geköpft ward; aber es ist bezeichnend, daß die Empörung Lukács' sich auf die Armee beschränkt, ohne daß von der SS die Rede wäre, welche die grausamste Arbeit leistete, und von den Vernichtungslagern. Gegen die Wehrmacht darf er eben noch reden, weil sie der Feind der roten Armee war; der Sicherheitsdienst aber ist tabu, damit man nicht auf subversive Analogien verfällt.
     
    1949
     
     

Fällige Revision
     
Zu Schweppenhäusers Buch über Kierkegaard und Hegel 1
    Der Anzeige des Werkes von Hermann Schweppenhäuser möchte ich vorausschicken, daß der Autor Schüler von Horkheimer und mir ist. Er wurde, auf Grund jenes Buches, in Frankfurt habilitiert. Unüblich mag es sein, daß der ehemalige Lehrer eine Arbeit rezensiert, die aus seiner Schule hervorging. Nach der verbreiteten Ansicht muß es ihm ihr gegenüber an Objektivität mangeln; darum ist der Sachverhalt vorweg öffentlich klarzustellen. Zugleich aber sind auch die Gründe anzugeben, die mich veranlassen, vom Herkommen abzuweichen. Seit einigen Jahren beobachte ich die Tendenz, mich gegen meine philosophischen Schüler, oder solche, die dafür gelten, auszuspielen und dadurch eine offenbar unbequeme Wirkung einzudämmen. Was mir erlaubt sei, wird an den Jüngeren beanstandet; worin sie, vielleicht, mir verpflichtet sind, als unziemliche Nachahmung ihnen vorgeworfen. Dabei ist, woran man sich stößt, das Gegenteil der Übernahme geronnener und geläufiger Formeln: eher die Anstrengung zur Konzentration von Denken und einer Sprache, die sich an der Sache mißt, nicht an der Kommunikation, und freilich dadurch die Leser, auch akademische, vor ungewohnte Aufgaben stellt. Ähnlich wie einst die Musik Schönbergs, werden meine Arbeiten einer Einsamkeit zugeschrieben, aus der

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