Gesammelte Werke
Authoritarian Personality« 1950 in New York veröffentlicht wurden, sind Gesichtspunkte und Kategorien des älteren Werkes auf ein breites empirisches Material bezogen und vor allem an die Erhellung eines der dunkelsten Massenphänomene der Gegenwart, der auf Minoritäten gelenkten Verfolgungssucht gewandt worden. Diese Studien sind ohne den Impuls der Freudischen Psychologie nicht zu denken und machen vielfältig von Freudischen Begriffen Gebrauch.
Wenn freilich Freud den Anspruch erhob, Soziologie sei insgesamt nichts anderes als angewandte Psychologie, so scheint uns das daran vorbeizusehen, daß die Gesetze der Gesellschaft nicht solche der puren Inwendigkeit der Menschen sind. Diese Gesetze haben sich vergegenständlicht. Sie treten den Menschen und der Einzelpsyche selbständig gegenüber und widersprechen ihnen in Entscheidendem. Je mehr sich das erweist, desto mehr ändert sich die Funktion dessen, was der Ausdruck »Sozialpsychologie« deckt. Wollte diese vor fünfundzwanzig Jahren verfolgen, wie der gesellschaftliche Zwang bis in die feinsten seelischen Verästelungen des Individuums hineinreicht, das da wähnt, für sich selber zu sein und sich selbst zu gehören, so wird heute die Reflexion auf sozialpsychologische Mechanismen vielfach gerade dazu benutzt, von jener Gewalt der Gesellschaft abzulenken. Schwierigkeiten und Konflikte des gegenwärtigen Zustandes werden verharmlost, sobald man sie unvermittelt auf den Menschen, auf bloß inwendige Vorgänge reduziert.
Darum scheint uns weniger eine Synthese aus Soziologie und Psychologie an der Zeit, als die insistente aber getrennte Arbeit in beiden Bereichen. Davon bleiben auch gewisse Lehren Freuds nicht unberührt. Er neigte in seiner Spätzeit dazu, das seelische Wesen des Menschen gegenüber den Bedingungen seiner Existenz zu verabsolutieren. Das von ihm positiv vertretene »Realitätsprinzip« kann dazu verleiten, die Anpassung an den blinden gesellschaftlichen Druck entsagend zu sanktionieren und schließlich den Fortbestand des Druckes zu rechtfertigen. Freilich macht diese Intention nur eine Seite der Freudischen Gedanken aus. Sie ist nicht zu trennen von der anderen, seiner todernsten Erfahrung der Last, unter der die Menschheit sich dahinschleppt – jener Erfahrung, die der Freudischen Lehre ihre unversöhnliche Tiefe und Substantialität verleiht.
In einigen Beiträgen des ersten Bandes unserer Schriftenreihe, den »Sociologica«, sind Erwägungen solcher Art ausgeführt. So sehr diese aber auch einer Psychologisierung der Theorie der Gesellschaft widerstreiten, so wenig ist mit ihnen andererseits eine Soziologisierung der Psychologie gemeint. Der psychoanalytische Revisionismus der verschiedensten Schulen, der den angeblichen Freudischen Übertreibungen gegenüber stärkere Berücksichtigung sogenannter gesellschaftlicher Faktoren advoziert, hat nicht bloß die großartigsten Entdeckungen Freuds, die Rolle der frühen Kindheit, der Verdrängung, ja den zentralen Begriff des Unbewußten, aufgeweicht, sondern er hat sich darüber hinaus mit dem trivialen Menschenverstand, dem gesellschaftlichen Konformismus verbündet und die kritische Schärfe eingebüßt. Die Rückbildung der Freudischen Theorie in eine Allerweltspsychologie wird auch noch als Fortschritt ausgegeben. Nachdem die alten Widerstände gegen die Psychoanalyse scheinbar überwunden sind, wird Freud durch Herrichtung zum zweiten Mal verdrängt, wobei der mythologisierende Obskurantismus und der mit Oberflächenphänomenen der Ich-Psychologie zufriedene Positivismus mühelos sich verständigen.
Demgegenüber schien der Versuch geboten, das lebendige Bewußtsein von Freud in Deutschland wieder herzustellen; zu zeigen, wie wenig überholt seine Theorien, wie aktuell sie gerade angesichts dessen sind, was man aus ihnen gemacht hat. Dazu war Einblick in Aspekte der Arbeit bedeutender moderner Psychologen zu eröffnen, die spezifisch mit Freud zusammenhängen. Nicht sollte die Freudische Theorie als solche bloß rekapituliert, wohl aber ihre Kraft an Einzelfragen, die meist mit gesellschaftlichen zusammenhängen, wie in Brennpunkten dargetan werden. Diese Kraft beschränkt sich keineswegs bloß auf die Beiträge dezidierter Anhänger seiner Schule, sondern kommt auch in anderen, in gewisser Hinsicht von ihm abweichenden, zutage.
Das etwa gehört zum Verständnis der Publikation der Freud-Vorträge. Allen Autoren ist herzlich dafür zu danken, daß sie ihre Texte freigaben.
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