Gesammelte Werke
Selbstverständlich finden sich Motive dieser Texte jeweils auch in anderen Arbeiten der betreffenden Autoren. Nirgends wurde durch gewaltsame Redaktion ein einheitlicher, konsistenter Zusammenhang dort hergestellt, wo es sich um eine Vielheit von Lehrmeinungen über oftmals kontroverse Gegenstände handelt. Auch Überschneidungen konnten nicht durchweg getilgt werden.
Dank gebührt weiter dem Klostermann-Verlag, der die Texte des ›Festaktes‹ zum Abdruck freigegeben hat. Welche Verdienste sich die Länder Württemberg-Baden und Hessen, die Stadt Frankfurt und die Ford-Foundation um den Freud-Zyklus erwarben, hat Helmut Coing in seiner Ansprache hervorgehoben; es darf an dieser Stelle wiederholt werden.
Die Redaktion der Vorlesungen und Vorträge, durchweg auf Bandaufnahmen basierend, lag in den Händen einer Gruppe von Mitarbeitern, die auch an der Organisation der Veranstaltungen selbst hervorragend mitgewirkt haben: Otti Bode, Norbert Altwicker, Hermann Schweppenhäuser.
Frühjahr 1957
Fußnoten
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Von Max Horkheimer und Adorno unterzeichnet.
Paul W. Massing, Vorgeschichte des politischen Antisemitismus. Frankfurt a.M. 1959. (Frankfurter Beiträge zur Soziologie. 8.)
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Mit dem Werk von Paul Massing über den politischen Antisemitismus im Kaiserreich bringen die »Frankfurter Beiträge zur Soziologie« erstmals eine Studie, die während der Emigrationsjahre im Institut für Sozialforschung an der Columbia-Universität zu New York entstand. Das Original erschien unter dem Titel »Rehearsal for Destruction« im Rahmen der »Studies in Prejudice«, die Max Horkheimer und Samuel Flowerman herausgaben. Dem American Jewish Committee, dessen Forschungsabteilung damals mit dem Institut aufs engste zusammenarbeitete, ist für die Bewilligung des Drucks der deutschen Fassung zu danken. Ergänzt wird das Buch durch die hier entstandene soziologische Dissertation von Eleonore Sterling, welche die Vorgeschichte des deutschen politischen Antisemitismus noch weiter zurückverfolgt, bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts. Sie wurde im Verlag Chr. Kaiser, München 1956, unter dem Titel »Er ist wie du« veröffentlicht.
Zur Publikation des Massingschen Werkes bewog uns indessen nicht nur der Wunsch, die Kontinuität zwischen der amerikanischen Produktion des Instituts und seinen Forschungen in Deutschland seit 1950 hervorzuheben. Es dünkte uns an der Zeit, daß Untersuchungen, die sich auf spezifisch deutsches Material bezogen und die einem so zentralen Komplex wie der Vorgeschichte des Antisemitismus gelten, auch in Deutschland bekannt werden. Ohne Einsicht in diesen Komplex bliebe das Verständnis des kaum Vergangenen verbaut. Die Abwehr der Erinnerung an das Unsägliche, was geschah, bedient sich eben der Motive, welche es bereiten halfen.
Wahr ist, daß die Gabe der Erinnerung in der rasch sich ändernden Gesellschaft unter dem Zwang, zeitgemäßere Fähigkeiten zu entfalten, sich zurückbildet. Die Reflexion der Völker auf ihre Geschichte ist seit je der herrschenden Richtung gefolgt; heute bleibt ihnen zu solcher Reflexion keine Zeit. Ohne lohnende Funktion im Zweckzusammenhang der Gegenwart hat Vergangenheit, private wie historisch relevante, wenig Aussicht, im Bewußtsein zu erscheinen, sie ist ›past history‹, totes Kapital. Um Zinsen zu tragen, müßte es als Element sozialer Integration, als Instrument der Ausrichtung brauchbar, zumindest für einen Augenblick politisch passend sein. Das ist die Aussicht der Ermordeten, im Bewußtsein wieder aufzustehen, seien es Polen, Juden, Deutsche oder wer je in der Geschichte Freiwild war. Seit den ersten Nachkriegsjahren hat die Chance der geopferten Juden auf solches Eingedenken in Europa abgenommen und ist auf die Wenigen angewiesen, deren Wille zur richtigen Zukunft mit der Absage an die Wiederholung sich die Analyse des Vergangenen auferlegt. Massings Buch kann ihnen eine Hilfe sein.
Soweit heute auf den finstersten Aspekt des Nationalsozialismus, den mörderischen Rassenwahn, in Deutschland reflektiert wird, stellt er zumal dem traditionalistischen Kulturglauben als eine von außen bereitete Katastrophe sich dar; als wäre Hitler wie ein Dschingis Khan in das Weimarer Deutschland eingebrochen und hätte ein Fremdes, gänzlich Unvorhersehbares verübt. Noch die entsetzte Rede von dämonischen Kräften dient insgeheim der Apologie: was irrationalen Ursprungs sein soll, wird der rationalen Durchdringung entzogen und zu einem
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