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Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Theodor Adorno
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eines Dinges der Fall ist. Dann aber muß der Gegenstand, wofern er sich der Ordnung unserer Erkenntnis irgend einfügen soll, begrifflicher Bestimmung zugänglich sein, und selbst bei »primitiven Begriffen« besteht die Möglichkeit, die Art ihrer Bildung durch die Analyse des Zusammenhanges zwischen Erlebnissen, den sie repräsentieren, bewußtseinsmäßig zu legitimieren. Diese Möglichkeit gerade indessen scheidet bei den unbewußten Gegenständen aus; sie sollen ja nicht etwa auf Grund einer gesetzmäßigen und einsichtigen Weise des Zusammenhanges von Erlebnissen gebildet und durch das Intuitionserlebnis repräsentiert sein, sondern das Intuitionserlebnis soll uns ihrer schlechthin versichern, ohne daß es des weiteren Rekurses auf den Erlebniszusammenhang bedürfte, und der
Gegenstand
dieses Intuitionserlebnisses, das »Wahrgenommene«, nämlich das schlechthin und transzendent Unbewußte, soll von jeglicher bewußtseinsmäßigen Konstitution unabhängig sein. Es scheidet darum als Erkenntnis des Unbewußten Intuition als ein Erlebnis mit symbolischer Funktion aus. – Die andere Möglichkeit wäre die, daß das Intuitionserlebnis von seinem »Gegenstand«, von dem Unbewußten also, nicht verschieden, sondern ein Tatbestand schlichter
Empfindung
wäre. Dann wäre Intuitionserlebnis und Unbewußtes das gleiche. Empfindungen sind aber immer Erlebnisse und als solche bewußt; die unbewußten Tatbestände also nicht unbewußt, sondern auch bewußt, wie immer man den Begriff des Bewußtseins auch fasse. Von ihrer Transzendenz und Absolutheit könnte dann füglich keine Rede mehr sein, und die Annahme, daß das Unbewußte bewußt, selbst Erlebnis sei, widerstreitet so radikal der Fassung des Begriffs des Unbewußten in jeglicher Philosophie des Unbewußten, daß die Möglichkeit, den Intuitionsbegriff derart zu wenden, radikal ausscheidet. Somit erweist sich Intuition, wie immer auch gefaßt, als prinzipiell untauglich zur Erkenntnis von Unbewußtem, dessen Bewußtseinstranszendenz behauptet wird. Die Möglichkeit, für solche Erkenntnis Intuition in Anspruch zu nehmen, ergibt sich allein aus der Konfusion zwischen dem Erlebnis und dem mit ihm symbolisch Gemeinten, für die der Begriff der Anschauung Raum bietet, solange er nicht klar von der Empfindung geschieden ist. Diese Scheidung durchzuführen, bedarf es allerdings der genauen Kenntnis der Gestaltrelationen in einem Simultankomplex. Um diese Kenntnis ist es aber schlecht bestellt bei einer Bildung des Intuitionsbegriffs, die die Intuition zugleich auf ein von ihr unterschiedenes und gar absolut transzendentes Objekt bezieht und wieder die unvermittelte Einheit zwischen dem Erlebnis und dem mit ihm Gemeinten behauptet.
    Indem die Kritik dargetan hat, daß eine Erkenntnis von Unbewußtem, wofern es als prinzipiell und schlechthin transzendent angesetzt ist, sich nicht gewinnen läßt, werden hinfällig alle positiven Behauptungen über eben jenes absolut Unbewußte. Sie alle setzen Kenntnis eines Unerkennbaren voraus. Das absolut transzendente Unbewußte ist, nach dem Aufweis der prinzipiellen Unzulänglichkeit von Intuition, uns eines Unbewußten zu versichern, derart unzugänglich, daß nicht einmal für die Behauptung, es gebe überhaupt ein solches Unbewußtes, mehr Raum ist; so wenig etwa wie im Kantischen System – nicht umsonst erinnern wir daran – für die Behauptung eines transzendenten Dinges an sich bei konsequenter Weiterverfolgung von Kants Kritik der transzendentalen Dialektik mehr Raum bleibt. Alle Aussagen über einen Gegenstand, dessen eigene Unerkennbarkeit sie selbst zur Voraussetzung nehmen, sind von vornherein widerspruchsvoll. Vom Unbewußten als einem »Ding an sich der Seele«, als einem intelligiblen Charakter zu reden, sind wir nicht berechtigt, wenn uns nicht allein jede nähere Kenntnis dieses Intelligiblen abgeht, sondern uns überhaupt keine Erkenntnis der Existenz jenes Unbewußten versichert, wir vielmehr allein durch Übertragung naturalistischer Vorstellungen den Begriff eines solchen absoluten Seins der Seele bilden. Auch die Vorstellung vom Unbewußten als der wirkenden Ursache der Erlebnisse ist naturalistisch und unstatthaft; allein die im Bereich der Naturerkenntnis gewonnene Einsicht in die kausale Verkettung der Naturtatsachen verführt dazu, während vielmehr den Grund des Kausalsatzes eben der Zusammenhang unserer Erlebnisse abgibt, der nicht weiter zurückführbar und gewiß nicht seinerseits kausal zu deuten ist.

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