Gesammelte Werke
Unkontrollierbarkeit auf der Hand liegt und der einer erkenntnistheoretischen Kritik keineswegs standhält, auch inhaltlich zu kritisieren, genügt ein Hinweis auf den geschichtlichen Ursprung des Begriffs der transzendentalen Bedingung. Es versteht sich, daß jener Begriff keineswegs von Anfang an in wissenschaftlicher Prägnanz auf den Bewußtseinszusammenhang bezogen war. Er entstammt überhaupt nicht einer Analyse jenes Zusammenhanges, sondern die Tatsache, daß es allgemeingültige und notwendige Erkenntnisse gibt, führte schließlich, um ihre verbindliche Begründung zu finden, auf die Analyse des Bewußtseinszusammenhanges. Die Prädikate der vom Fluß der Erscheinungen unabhängigen Beständigkeit aber und der Irreduzibilität kamen in der gleichen Weise, nur eben nicht wissenschaftlich gerechtfertigt, den Grundbestimmungen der alten
Ontologie
zu wie in der Transzendentalphilosophie den transzendentalen Bedingungen. Jene Ontologie nun ist es, die in ihrer letzten »Säkularisierung«, also Loslösung von ihrem dogmatisch-theologischen Ausgangsgrund, als Leibniz-Wolffische Ontologie, von der transzendentalen Vernunftkritik entscheidend getroffen wurde. Wir haben uns vergegenwärtigt, daß die polemische Haltung der Philosophien des Unbewußten wider die Transzendentalphilosophie darauf abzielt, die definitiv verlorenen Gehalte jener Ontologie zu retten, und der Kampf gegen die angeblich »starren« und dem sinnvollen Leben fremden Kategorien der Transzendentalphilosophie verfolgt kein anderes Ziel, als für die Restbestände der alten Ontologie Raum zu schaffen, deren Bewußtseinstranszendenz und Irrationalität in Wahrheit mit der dogmatisch-ontologischen Transzendenz der alten Universalien identisch ist. Jede Philosophie des Unbewußten also operiert mit Grundbegriffen, die nicht minder »starr«, nur minder einsichtig sind als die der Transzendentalphilosophie und die für den Aufbau der Systematik die gleiche Funktion haben wie jene. Alle jene Begriffe, die wir als Hypostasierungen Kantischer Grenzbegriffe bezeichnet haben: der des unbewußten intelligiblen Charakters, des psychischen transzendenten Dinges an sich, der Spontaneität vor allem und ebenso der des »Lebens« als des unbewußten Grundes aller Phänomene sind von den Philosophien des Unbewußten, seit Schopenhauer bis zu Bergson, in gleicher Weise als konstant und unableitbar behauptet worden wie die transzendentalen Bedingungen in der Transzendentalphilosophie. Wenn schließlich die Lehren vom Unbewußten die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori leugnen, so ist, um das banale Argument wenigstens zu nennen, diese Leugnung ihrerseits selbst ein synthetisches Urteil a priori.
Jede Philosophie des Unbewußten setzt also voraus einmal die transzendentalen Faktoren des Bewußtseinszusammenhanges, ohne die ihre Aussagen nicht sinnvoll wären und ohne die sie zu Aussagen mit identischen Bedeutungen überhaupt nicht fähig wäre; dann aber eine Reihe von Sätzen a priori, deren die Transzendentalphilosophie ihrerseits entraten kann, die der transzendentalen Kritik verfallen und die im übrigen im Rahmen der Philosophien des Unbewußten die gleiche systematische Funktion erfüllen wie in der Transzendentalphilosophie die transzendentalen Bedingungen, deren, als starrer, rationalistischer Rudimente, die Philosophien des Unbewußten eben zu entraten meinen. Die allgemeine Begründung jenes Sachverhaltes und der wissenschaftlich zureichende Rückverweis des Problems des Unbewußten an die transzendentale Kritik ist die Aufgabe der folgenden Erörterung. Hier genügt uns der Nachweis: daß die von den Philosophien des Unbewußten behauptete Unabhängigkeit von der Transzendentalphilosophie sich darum als unstimmig erweist, weil auch die Philosophien des Unbewußten nicht ohne transzendentale Bedingungen auskommen und außer jenen implizit in ihr enthaltenen transzendentalen Faktoren weitere apriorische Festsetzungen treffen, die sie nach den Grundthesen ihrer Metaphysik, vor allem nach der Annahme eines von jeglicher begrifflichen Formung unabhängigen und sie recht eigentlich verwehrenden spontanen Zentrums, nicht treffen dürften.
Ehe wir die Unstimmigkeit der Lehren vom Unbewußten von einem höheren philosophischen Blickpunkt aus zusammenfassen und eigentlich transzendental kritisieren, haben wir hinzuweisen auf ein letztes Faktum, das uns die Lehren vom Unbewußten suspekt macht. Die unbewußten Tatsachen nämlich, auf die die psychologische
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