Gesammelte Werke
Die Annahme der Spontaneität endlich als der wirkenden Kraft des Unbewußten ist nichts anderes als der Versuch, die illegitimerweise auf das Bewußtsein übertragenen Kausalitätsverhältnisse auf einen einheitlichen letzten Grund zurückzuführen; sie wagt nicht nur die positive Bestimmung eines prinzipiell Unzugänglichen, sondern geht in dieser Bestimmung zugleich über die Grenze selbst einer solchen Erfahrung hinaus, der die Erkenntnis von absolut Unbewußtem möglich wäre. Alle jene Annahmen erweisen sich als widerspruchsvoll und willkürlich zugleich. Sie werden uns allein dort noch zu beschäftigen haben, wo wir die Antinomik der Lehren vom Unbewußten allgemein zu begründen und mit ihrer Auflösung den Übergang zur transzendentalen Methode zu vollziehen haben. Der nähere Nachweis ihrer immanenten Unstimmigkeit erübrigt sich nach den durchgeführten Betrachtungen.
Es bleibt unserer Kritik übrig, den Anspruch der Lehren vom Unbewußten zu untersuchen, von transzendentalen Bedingungen unabhängig und darum der transzendentalen Kritik enthoben zu sein. Das setzt voraus eine Besinnung darauf, was unter transzendentalen Bedingungen hier verstanden werden muß. Die Kantische Definition: »Ich nenne alle Erkenntniss transcendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnissart von Gegenständen, sofern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt« (K. d. r. V., S. 68) –, diese Definition ist zu ergänzen durch Bestimmungen, die zwar für einen entscheidenden Teil der Analysen der Vernunftkritik den Grund abgeben, aber nicht ausdrücklich aufgeführt sind: daß nämlich die Einsicht in die Möglichkeit apriorischer Erkenntnis zurückgeführt wird auf »die Erkenntnis eines bestimmten allgemeinsten Zusammenhangs, der seinerseits nicht wieder Gegenstand transcendentaler Fragestellung sein kann« 4 . Die Analyse jenes Zusammenhanges nun führt zur Erkenntnis von Bedingungen, »ohne deren Erfüllung er nicht als gegeben gedacht werden könnte« 5 : von Bedingungen, die als Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung transzendentale Bedingungen heißen dürfen. Es versteht sich, daß die Lehren vom Unbewußten von sich aus solche Bedingungen nicht anerkennen mögen. Denn jene Bedingungen ergeben sich ja aus der Analyse des Bewußtseinszusammenhanges und sind in Bewußtsein ausweisbar; die einfachsten Tatbestände unseres Bewußtseinszusammenhanges, etwa die Erinnerung, die Erkenntnis der Identität oder das Wiedererkennen ähnlicher Inhalte, – Tatbestände, die sich nicht auf andere, noch einfachere Bewußtseinstatsachen zurückführen lassen – sind es ja gerade, die wir als Transzendentalbedingungen bezeichnen, und jene Bewußtseinstatsachen kann eine Philosophie des Unbewußten niemals als ihren verbindlichen Grund anerkennen. Aber indem sie ihnen die Anerkennung versagt, hat sie sich keineswegs unabhängig von ihnen gemacht. Es ist hier nicht allein an die freilich zur Kritik des Anspruches auf Unabhängigkeit, den die Philosophien des Unbewußten der Transzendentalphilosophie gegenüber erheben, bereits ausreichende Tatsache zu denken: daß jede Philosophie des Unbewußten, um überhaupt eine sinnvolle Aussage machen zu können, die Gültigkeit jener allgemeinsten transzendentalen Bedingungen bereits voraussetzt. Ohne die Möglichkeit der Erinnerung an ein vergangenes Erlebnis, ohne die Erkenntnis der Identität des erinnerten mit jedem vergangenen Erlebnis; ohne die Möglichkeit des Wiedererkennens ähnlicher Inhalte, der ersten Bedingung jeglicher Begriffsbildung; ohne schließlich die Voraussetzung eines einheitlichen und gesetzmäßigen Bewußtseinsverlaufs wäre es den Philosophien des Unbewußten nicht möglich, auch nur ihren eigenen Grundbegriff, nämlich eben den des Unbewußten – um dessen Legitimierung es ja im übrigen, wie wir sahen, unsicher genug bestellt ist – zu bilden und festzuhalten. Indessen hätte hiergegen die Philosophie des Unbewußten manches wie immer auch sophistische Argument bereit: etwa, jene »Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung« seien bloße Hilfsmittel, deren sich die philosophische Systematik zur Formulierung der Grundtatsachen des Unbewußten bediene; in Wahrheit sei es das unbewußte Leben selbst, dessen sich die Philosophie des Unbewußten versichere, und auf ihrer höchsten Stufe, der der Intuition, könne sie aller transzendentalen Bedingungen entraten. Jenen Anspruch, dessen Willkürlichkeit und
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