Gesammelte Werke
Abstraktionstheorien, weiter durch das Problem der künstlerischen Erkenntnis und endlich durch die psychologischen Tatsachen der Gestaltrelation bedingt. Allein wir dürfen den Intuitionsbegriff gleichwohl für unsere Erörterung in Anspruch nehmen und ziehen ihn im übrigen – im Gegensatz etwa zu der alle typischen Möglichkeiten der Bildung von Intuitionsbegriffen kritisch verfolgenden Arbeit von König 3 – nur insoweit in den Gang unserer Hauptbetrachtung herein, wie unter Intuition eine Erkenntnisweise zur Erkenntnis von Unbewußtem verstanden ist. Wir sind auch historisch dazu um so eher legitimiert, als seit Bergson der Intuitionsbegriff in der Breite des philosophischen Lebens tatsächlich zu einem Vehikel der Erkenntnis von
Unbewußtem
wurde; ist doch Bergsons Intuitionsbegriff tatsächlich gebildet wesentlich in dem Bestreben, die vitalistische Metaphysik des Unbewußten, die seine positive Lehre ausmacht, in Übereinstimmung zu bringen mit den Ergebnissen der empirisch psychologischen Forschung. Die Auflösung der Struktur jenes Intuitionsbegriffes und ihr Zusammenhang mit den »Bruchstellen« des Kantischen Systems wird sich uns ergeben, und wir werden den Zusammenhang des Intuitionsbegriffs mit den konstitutiven philosophischen Fragestellungen nicht vergessen; vorerst haben wir jedoch zu fragen nach der Tauglichkeit des Mittels der Intuition zur Erkenntnis von schlechthin Unbewußtem und nach der Vereinbarkeit des Intuitionsbegriffes mit einem solchen Begriff transzendenter Unbewußtheit. Nachdem wir die Möglichkeit einer Erkenntnis des schlechthin Unbewußten geprüft haben, können wir uns den Problemen zuwenden, die in jenem Begriff selbst gelegen sind. – Wir verstehen also für den Zweck unserer immanenten Analyse unter Intuition: es sollen dem Bewußtsein Erkenntnisse gegeben sein, die ihrerseits selbst nicht ihrer bewußtseinsmäßigen Konstitution nach einsichtig zu machen sind.
Zugegeben selbst, hypothetisch, die Möglichkeit solcher Erkenntnis – die im übrigen von der empirisch psychologischen Analyse nirgendwo zutage gefördert wurde und, aus später allgemein aufzuweisenden Gründen, auch nicht zutage gefördert werden konnte –: es wäre eine solche Erkenntnisweise wissenschaftlich nur dann sinnvoll, wenn wenigstens ihre
Befunde
wissenschaftlich verifizierbar wären. Sie fügte sich nur dann dem Besitz unserer Erkenntnis wahrhaft ein, wenn es einen Weg gäbe, ihre Ergebnisse dem Zusammenhang wissenschaftlicher Erkenntnis einzuordnen. Der Zusammenhang wissenschaftlicher Erkenntnis ist aber ein Zusammenhang bewußter oder wenigstens auf Bewußtsein reduzibler Tatsachen. Es müßten also notwendig die intuitiv gewonnenen Erkenntnisse, um wissenschaftliche Gültigkeit zu gewinnen, auch auf eine ihrer bewußtseinsmäßigen Konstitution nach voll einsichtige Weise sich gewinnen oder wenigstens mit den Mitteln einer solchen Erkenntnisweise sich prüfen lassen. Dies gerade aber bleibt als Möglichkeit ausgeschlossen für die Gegenstände, die als unbewußt schlechthin behauptet werden. Intuition, als ein Mittel der Erkenntnis, das sich dem Ganzen unseres wissenschaftlichen Besitzstandes sinnvoll einfügt, kann immer nur gleichsam die Abbreviatur einer stetig fortschreitenden und auf jeder Stufe ihres Fortschrittes einsichtigen Erkenntnisweise sein, ohne daß ihre Resultate jemals von einer Legitimation in begrifflicher Klärung unabhängig wären. Das schlechthin Unbewußte aber, dessen uns die Intuition versichern sollte, ist keiner diskursiven Erkenntnis zugänglich. Es läßt sich dem entgegenhalten: daß die durch Intuition gewonnenen Erkenntnisse eben darum nicht diskursive Erkenntnisse seien, weil Intuition unmittelbare
Anschauung
wäre; kraft unmittelbarer Anschauung also versicherten wir uns der unbewußten Tatbestände. Wie aber verhält es sich damit? Die unbewußten Tatbestände im Sinne einer absoluten Transzendenz des Unbewußten können notwendigerweise nie Bewußtsein, nie selbst Erlebnis sein, sondern nur, allenfalls (wie es nämlich für die Erkenntnisweise der Intuition behauptet wird), uns gegeben durch Erlebnisse, von denen sie selbst verschieden sind. Mit dem vieldeutigen Terminus Anschauung kann nun in Ansehung jener Tatsache: daß absolut Unbewußtes selbst niemals Erlebnis ist, zweierlei gesagt sein. Entweder Anschauung ist ein Erlebnis mit symbolischer Funktion, repräsentiert einen Gegenstand, der von ihm selbst verschieden ist, wie es etwa bei der Wahrnehmung
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