Gesammelte Werke
Elementen einer »Seelenlehre« aus der Analyse des Bewußtseinszusammenhanges hervorgeht, sondern was sich durch Vernunftschlüsse aus einigen Allgemeinbegriffen über die »Seele« folgern lasse. Dem entspricht die rationalistische Definition der Psychologie, mit der Kant sich zufrieden gibt, um sie zu kritisieren: es bedeute »der Ausdruck: Ich, als ein denkend Wesen, schon den Gegenstand der Psychologie, welche die rationale Seelenlehre heißen kann, wenn ich von der Seele nichts weiter zu wissen verlange, als was unabhängig von aller Erfahrung (welche mich näher und in concreto bestimmt) aus diesem Begriffe
Ich,
so fern er bei allem Denken vorkommt, geschlossen werden kann« (K. d. r. V., 350). Daß freilich Kant in seiner Kritik sich auf die rationale Seelenlehre beschränkt, die in der Leibniz-Wolffischen Schule vorlag, hat nicht bloß historische, sondern auch sachliche Motive. Den entscheidenden Anlaß, die kritische Gewalt allein auf die rationalistisch-ontologische Psychologie zu konzentrieren, bietet Kants Grundüberzeugung: daß, wenn nicht eine solche Psychologie als Wissenschaft möglich ist, Psychologie als Wissenschaft sich überhaupt nicht konstituieren läßt. Denn er schließt wie vormals die rationalistische Metaphysik als Rechtsquelle der Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten des Bewußtseins die Erfahrung aus und läßt als synthetische Sätze a priori nur solche gelten, die aus reinem Denken stammen und die dann allerdings im Bereich der psychologischen Forschung legitimerweise der Kritik verfallen.
Zum Ausgang des Vernunftschlusses auf die rationale Seelenlehre macht Kant den Satz »Ich denke«. Diesen Satz will Kant als einen »reinen«, d.h. nicht bloß erfahrungskonstitutiven, sondern schlechthin erfahrungsunabhängigen verstanden wissen, obwohl er an späterer, entscheidender Stelle ihn selber wiederum als einen Satz der »inneren Erfahrung« bezeichnet. Zunächst aber soll mit ihm nichts anderes gemeint sein als die »Einheit des persönlichen Bewußtseins«, von der Kant zwar bei der Deduktion der Kategorien ausging, die er aber dort nicht selbst als transzendentale Bedingung verstanden, sondern als Grund der einzelnen Transzendentalbedingungen angesehen hatte: während doch die transzendentale Analyse in Wahrheit uns jener einzelnen Bedingungen versichert als der Gesetzmäßigkeiten, mit welchen die Bewußtseinseinheit die Erfahrung bestimmt, ohne daß sie durch ein logisches Verfahren aus jener abzuleiten wären; das, was Kant die synthetische Einheit der Apperzeption nennt, ist tatsächlich nichts als der Inbegriff der transzendentalen Bedingungen. Die Bestimmung jener Einheit nicht als des »Grundes« der Kategorien, sondern selber als der Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung überhaupt holt Kant erst in der Paralogismenlehre nach. Dabei ist nun auffällig, daß sie allein den Grund für die transzendentale Seelenlehre abgeben soll; daß deren Möglichkeit nicht etwa aus den Zusammenhangsformen hergeleitet wird. Es spricht sich darin die
ontologische
Herkunft des Begriffs der Bewußtseinseinheit bei Kant aus, die stets wieder als ein erfahrungsunabhängiges Wesen hypostasiert wird. Wenn zur Einteilung der Paralogismenkritik auf die Kategorien rekurriert wird, so bleibt der sachliche Zusammenhang jener Paralogismen mit der Kategorienlehre völlig vage und es scheint eher als sachliche Erwägung die architektonische Rücksicht für Kant maßgebend. Zudem ist jene »Topik der rationalen Seelenlehre, woraus alles übrige, was sie nur enthalten mag, abgeleitet werden muß« (K. d. r. V., 351), offensichtlich nicht im Sinne Kants ausgeführt, der ja eine Seelenlehre als Wissenschaft überhaupt bestreitet, sondern der Schulmetaphysik entlehnt, die er bekämpft.
Der Ausgang vom »Ich denke«, das von Kant als eine lediglich formale Bedingung der Erkenntnis gefaßt wird und unbestimmbar bleibt, und damit die Vernachlässigung der konstitutiven Zusammenhangsformen des Bewußtseins hat tiefliegende Gründe und weitreichende Konsequenzen.
Die Gründe zunächst: der Satz wird, im Sinne jener oben angeführten Definition der rationalen Psychologie, anstatt als erfahrungskonstitutiv als »unabhängig von der Erfahrung« angenommen, im Gegensatz zu den Kategorien, die ja nur auf Erfahrung anwendbar sind. Diese »Unabhängigkeit« ist gefordert nicht sowohl im Kantischen Sinn als vielmehr in dem der Schulmetaphysik, wider die Kant zu Felde zieht – der Schulmetaphysik, die von der
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