Gesammelte Werke
notwendig nur die naturalistische Verdinglichung jener Begriffe. So wie sie als Transzendenzen dem Erlebnisstrom willkürlich enthoben werden, können sie auch durch die Annahme einer »metaphysischen Bewegung« in jenen hinein aufgelöst werden, ohne daß gesehen würde, daß sie zwar nur aus einer Analyse des Erlebniszusammenhanges sich ergeben, daß aber umgekehrt nur die Gültigkeit der transzendentalen Faktoren einen Erlebniszusammenhang ermöglicht und daß die unbewußten Tatbestände, wofern sie nicht Erlebnisse sein sollen – was ja eben unmöglich ist, da der Begriff des Bewußtseins mit dem Inbegriff meiner Erlebnisse und ihres Zusammenhangs zusammenfällt –, als ein unabhängig von meiner augenblicklichen Wahrnehmung dauerndes Psychisches, ebenfalls in gewissen Grenzen, beständig sein müssen. Der Widersinn der Annahme, daß Leben, etwa als »spontanes Zentrum«, der Grund von Bewußtsein sei, während umgekehrt Leben, als innerzeitlicher Bewußtseinsverlauf, nur durch konstante, also im Sprachgebrauch der Philosophien des Unbewußten »starre« Bedingungen ermöglicht wäre, entfällt in dem Augenblick, da man sich Klarheit darüber verschafft, daß der Zusammenhang des Gegebenen nicht auf ein »psychisches Kräftespiel« zurückführbar ist, sondern daß wir unter dem transzendentalen Mechanismus nichts anderes zu verstehen haben als die Formen, unter denen sich ein Zusammenhang von Erlebnissen bildet. Die Begriffe Kraft und Leben sind demgegenüber Derivate; »Leben« nennen wir die innerzeitliche Abfolge der Erlebnisse, die zwar als solche nicht kausal zurückführbar ist, keineswegs aber auch selbst als causa der transzendentalen Bedingungen betrachtet werden darf, mit denen sie eine unauflösliche, nur abstraktiv zu sondernde Einheit bildet. Der Kraftbegriff vollends konstituiert sich auf Grund der dynamischen Grundsätze des transzendentalen Systems und ist dem transzendentalen Mechanismus keinesfalls zu supponieren. Damit sind die Widersprüche, die den Begriffen Leben und Spontaneität anhaften, transzendental aufgelöst: die Tatsache, daß Leben überhaupt stattfindet, d.h. daß uns Erlebnisse überhaupt gegeben sind und daß diese Erlebnisse in zeitlicher Folge auftreten, ist als solche unableitbar und gründend. Sie ist aber untrennbar von der realen Gültigkeit der transzendentalen Bedingung der Einheit des Bewußtseins, und der ursprüngliche Begriff der Zeitfolge, nämlich der Begriff der
phänomenalen
Zeit, fällt mit dem transzendentalen Begriff des einheitlichen Bewußtseinsverlaufs unmittelbar zusammen. Denn die Einheit des Zusammenhanges unserer Erfahrung ist die letzte Voraussetzung der transzendentalen Methode. Die Grundbegriffe, in die eine Analyse des Bewußtseinszusammenhanges jene Einheit auflöst, sind als Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung nicht, wie Kant annahm, zu »deduzieren«, sondern Einheit ist nichts anderes als der Inbegriff jener Gesetzmäßigkeiten. Alle jene Begriffe verifizieren sich in gleicher, nicht weiter reduzibler Weise: durch den Rekurs auf die unmittelbare Gegebenheit. Methodisch von den einen oder anderen dieser Begriffe statt von der unmittelbaren Gegebenheit auszugehen, heißt die Grenze aller transzendentalen Erkenntnis überschreiten.
Den Begriff der
Intuition
endlich auf sein zulässiges Maß zu reduzieren, bedurfte es nicht erst einer transzendentalen Kritik; der Anspruch, Erkenntnis zu bieten, ohne selbst Erkenntniskriterien zu unterstehen, ist logisch hinfällig und seine historische Begründung aus dem Zusammenhange mit Glaubensmetaphysik darum zureichend, weil er sich sachlich nicht begründen läßt. Vom Standpunkt der Transzendentalphilosophie aus bleibt hinzuzufügen: daß die Wahrnehmung des
Gestaltzusammenhanges,
auf die der Intuitionsbegriff sich stützt, eben eine transzendentale Funktion ist und daß die bezeichnete Antinomik des Intuitionsbegriffes hinfällig wird, sobald nur der transzendentale Erkenntnisbegriff von jeder Merkmalatomistik gereinigt ist. Die Faktoren des Zusammenhanges als solche sind transzendentale Bedingungen; die Tatsache, daß in einem Komplex der Vielheit Merkmale zukommen, die keinem einzelnen Teil zukommen, ist eine ebensowenig auf andere Tatbestände zurückführbare wie die der Erinnerung und charakterisiert den Bewußtseinsverlauf insgesamt. Nur wenn sie, wie allerdings bei Kant, außer Betracht bleibt, verengt sich der transzendentale Begriff der Erkenntnis derart, daß er manchen real
Weitere Kostenlose Bücher