Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
was vor über dreißig Jahren in »Die gierigen Dinge des Jahrhunderts« geschrieben worden ist, hat seine Aktualität bis heute behalten. Wir stehen an der Schwelle einer Welt des Überflusses und müssen bereit sein zu entscheiden, wie wir uns zu dieser Welt stellen. Wir alle zusammen und jeder für sich allein. Eine Rettung vor dieser Welt ist nach wie vor nicht in Sicht, und schlimmer noch, es ist nicht einmal klar, ob man sich retten soll. Und die lieben wohlmeinenden Dummheiten, die die Autoren (unter dem Druck der Obrigkeit und vor lauter Ausweglosigkeit) ihrem Helden in den Mund und in die Gedanken legen mussten, dürfen nicht die Schärfe des Problems mildern oder glätten. Die Literatur kann als soziales Schmerzmittel wirken, doch mir gefällt derlei Literatur überhaupt nicht.
Übrigens hat sich in der Vorstellung der Autoren bezüglich der Welt der »Gierigen Dinge«, die sie selbst geschaffen haben, eine interessante Metamorphose ergeben. Ursprünglich waren die Autoren überzeugt, sie hätten eine Antiutopie geschrieben, eine Welt gezeigt, in der zu leben für jeden Menschen mit Selbstachtung eine Qual und eine Schande wäre. Aber einmal, vor gut einem Jahrzehnt, hat mir ein weiser Leser eine ganz unerwartete Frage gestellt: »Und was ist denn eigentlich schlecht an Ihrer Welt? Schließlich folgt sie dem Prinzip ›Jedem das Seine‹, und das ist bei Weitem nicht das schlechteste Lebensprinzip.« Und damals betrachtete ich die Welt der »Gierigen Dinge« zum ersten Mal mit den Augen eines unvoreingenommen, unparteiischen Menschen, weitab von den offensichtlichen, dabei gar nicht so allgemein akzeptierten, wenn auch durchaus edlen Postulaten wie »der Mensch ist zum Schöpfertum bestimmt«, »ein Mensch – wie stolz das klingt«, »richtig zu denken ist das Grundprinzip der Moral« und so weiter in der Art. Und mit diesen Augen erblickte ich eine Welt, die natürlich ihre Nachteile hatte, die in mancher Hinsicht armselig war, in mancher ekelhaft, in mancher sogar unerträglich widerwärtig. Doch bei alledem enthielt sie eine Menge lichte Stellen und bot immerhin auch ausgiebig Freiraum für intellektuelles und spirituelles Leben. Denn der Mensch ist in dieser Welt frei. Wenn du willst, friss dich voll und besauf dich; wenn du willst, vergnüg dich mit Neurostimulatoren; wenn du willst, widme dich deinem privaten Masochismus. Doch andererseits: Wenn du lernen willst – lerne; wenn du lesen willst – lies, was immer und so viel du willst; wenn du dich vervollkommnen willst – bitte sehr; wenn du schließlich deine Welt reinigen und verbessern, für die Menschenwürde kämpfen willst – Gott befohlen!, niemand verbietet es dir, leg los, und viel Erfolg! Du bist in dieser Welt frei zu werden, was du werden kannst und willst. Du hast die Wahl. Handle.
Unsere Haltung zu dieser Welt als einer Antiutopie hat sich geändert. Wir haben begriffen, dass diese Welt natürlich nicht gut ist, nicht hell und nicht schön, zugleich aber auch nicht hoffnungslos – sie ist fähig, sich zu entwickeln. Sie ähnelt einem schlecht erzogenen Halbwüchsigen mit all seinen guten und schlechten Seiten. Und jedenfalls halten wir sie von allen erdachten Welten für die wahrscheinlichste . Die Welt des »Mittags« ist höchstwahrscheinlich nicht zu verwirklichen, die Welt von »1984« scheint Gott sei Dank schon erledigt zu sein, die Welt der »Gierigen Dinge« aber ist wohl genau das, was uns »hinter der Wegbiegung« 10 erwartet. Und darauf muss man gefasst sein.
Die Erprobung des SKYBEK
Diese kleine Erzählung wurde von Arkadi erdacht, der auch die Rohfassung schrieb. Die Idee dazu hatte sich aus Überlegungen ergeben, die wir zum »Vergessenen Experiment« anstellten.
Anfang Januar 1958 – Arkadi: »… Den Gedanken an ›Das vergessene Experiment‹ werde ich doch weiter verfolgen. Psychologie hin, Psychologie her – aber Science Fiction ohne richtig kühne Fantastik ist auch nichts. Man kann eine kleine Novelle à la ›Aus anderen Sphären‹ 11 machen, so drei, vier Kapitel, aus der Sicht verschiedener Leute geschrieben. […] Und Roboter. Und ein Chefroboter, der die Arbeitsroboter steuert. Und so weiter.«
Eine Novelle à la »Aus anderen Sphären« haben wir aus »Das vergessene Experiment« nicht gemacht, aber die Erzählung über Roboter zur Erforschung fremder Planeten haben wir geschrieben. Ursprünglich hieß sie »Die Generalprobe des SRK«. 12
19. 3. 59 – Arkadi: »Ich bin im Begriff, ›Die
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