Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
eigentliche Text fast unangetastet blieb. Und damit kamen sie anscheinend durch – zunächst, toi, toi, toi.
Freilich stand alles noch bevor. Das Hauptgefecht brach vier Monate später los, als alles schon in Butter zu sein schien.
24. 6. 65 – Arkadi: »So leid es mir tut, aber ich muss dir die betrübliche Mitteilung machen: Die Zensur hat die ›Gierigen Dinge‹ gestoppt.
Kurz gesagt, läuft es darauf hinaus: Über die ›Gierigen Dinge‹ wird es eine Beratung im Cheflektorat geben, und dann gibt es drei Möglichkeiten (in der Reihenfolge abnehmender Wahrscheinlichkeit): Entweder gibt es ›eine Reihe von Einwänden‹, und wir müssen das Buch weiter verschandeln, oder das Buch wird verboten und endgültig aus dem Plan genommen, oder – das ist am unwahrscheinlichsten – die Einwände der Zensorin werden als unbegründet eingeschätzt; eigentlich kommt so etwas überhaupt nicht vor.
Wie ist es dazu gekommen? (Nach Belas Worten:) Die Zensorin hatte schon eine Zeit lang eine Auseinandersetzung mit jemandem im Cheflektorat und wollte beweisen, dass sie recht hat – sie verlangte ›mehr Verantwortungsbewusstsein seitens des Cheflektorats, wo alles ungelesen genehmigt wird‹. Sie hat sich unser Buch gegriffen, es sind ihr ›Zweifel gekommen‹, und sie ist mit Triumphgeheul ins Cheflektorat gestürzt: Da, seht, was ihr genehmigt habt! Der Cheflektor sagt natürlich zu Bela: Was haben diese Juden da wieder angestellt? Bela zu der Zensorin: Worum geht es, welche Einwände haben Sie? Die Zensorin: Ich habe keinerlei politische oder ideologische Einwände, mir sind nur Zweifel gekommen. Bela: Warum sind Sie mit Ihren Zweifeln gleich ins Cheflektorat gelaufen, Sie wissen doch, dass ein Zensor, wenn ihm Zweifel kommen, die Sache mit dem Lektor regelt. Die Zensorin: Ach, entschuldigen Sie, ich war so fix und fertig, dass ich den ethischen Aspekt ganz aus dem Blick verloren habe, aber ich musste das Cheflektorat an die Kandare nehmen. Bela: Das ist schlecht, dass Sie die Ethik vergessen haben, und was für Zweifel haben Sie? Wie sich zeigt, hatte sie drei Zweifel, und für jeden möchte man sie erwürgen: 1. Es kann keine reichen Länder geben, wo man alles hat, und gleichzeitig arme asiatische Länder. 2. Diese Spionage in einem kapitalistischen Land riecht sehr nach bewaffnetem Revolutionsexport. 3. In diesem Land gibt es nichts, was man der Zersetzung entgegenstellen könnte. (Die letzte Anmerkung hat am meisten für sich, aber das geht doch den Zensor nichts an!) Kurzum, der Fall wird bearbeitet, das Cheflektorat rührt sich, man muss abwarten. […]
Und Kotljar 7 geht regelmäßig ins ZK und stänkert. Ach? Das hat der Stellvertretende Cheflektor Bela gesteckt …
Man muss übrigens zugeben, dass sich das Cheflektorat ohne jede Begeisterung rührte und mit Weile eilte. Ein Termin um den anderen verging und nichts geschah. Die Leiter der Lektorate für ausländische Literatur und für ästhetische Erziehung lasen das Manuskript und fanden nichts daran auszusetzen: ›Der Roman ist gut und soll möglichst bald gedruckt werden.‹ Es las ›ein gewisser Mitrochin, Mitarbeiter am Institut für Philosophie und ein Freund Melentjews‹ [des damaligen Verlagsleiters von Molodaja Gwardija – B. S.], ihm gefiel das Buch ›in literarischer Hinsicht‹ nicht, ebenso wenig, ›dass die Soziologie der Welt und des Landes unbestimmt bleibt‹. Doch er sagte, er wäre dafür. Dann lasen es noch etliche Mitglieder des Verlagsbeirates und sagten, man könne es herausbringen. Alle warteten auf Melentjew, der auf einer längeren Dienstreise im Ausland war.
5. 7. 65 – Arkadi: »Du fragst, wie der Stand bei den ›Gierigen Dingen‹ ist. So weit fortgeschritten wie nur irgend möglich. Das ist die Umbruchkorrektur, die letzte. Die Matrizen liegen in den Maschinen und warten darauf, jeden Tag zigtausend Exemplare zu drucken. Aus dem Lager sind hundertfünfzehntausend fertige Einbände gekommen. Alles ist bereit. Nur die Zensorin hat sich als Miststück erwiesen. […] Weiterhin keine Neuigkeiten. Warten wir ab.«
Warten mussten wir noch ungefähr zwei Wochen. Arkadi war mit seiner Familie nach Süden in den Urlaub geflogen; Boris kam nach Moskau, wohnte allein in der leeren Wohnung und wartete darauf, dass man ihn in den Verlag rief. Und dann war es endlich so weit.
17. 7. 65 – Boris: »Das Treffen hat stattgefunden. Anwesend waren: Melentjew, Gussew [der Stellvertretende Cheflektor], Falski [anscheinend ein Mitglied
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