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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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drang durch Mark und Bein, der Gestank – halb nach Aas, halb nach defekter Kanalisation – nahm einem den Atem. Nein, das war keineswegs das, was ich suchte. Schade um die Zeit. Am besten ging ich gleich zurück und sagte, ich käme ein andermal wieder. Doch zunächst wollte ich aus reiner Neugier noch ein wenig den Tunnel entlangwandern. Rechter Hand blinkten in der Ferne Lampen. Ich hielt auf sie zu, sprang über Pfützen, stolperte über verfaulte Schwellen und verhedderte mich in zerrissenen Kabeln. Bei den Lampen blieb ich stehen.
    Die Schienen waren abmontiert, die Schwellen lagen längs der Wände. Im leeren Gleisbett gähnten Löcher, die voller Wasser standen. Dann entdeckte ich die Schienen. Nie zuvor hatte ich Schienen in solch einem Zustand gesehen. Einige waren spiralförmig zusammengedreht und glichen blankgeputzten großen Bohrern. Andere waren mit ungeheurer Gewalt ins Gleisbett und in die Tunnelwände gerammt. Wieder andere bildeten Knoten. Mich fröstelte bei dem Anblick. Einfache Knoten, Knoten mit einer Schleife, Knoten mit zwei Schleifen, wie Schnürsenkel an Schuhen … Blaugrau vom Abbrand.
    Aus der Tiefe des Tunnels stank es nach faulendem Aas; trübe gelbe Lampen zwinkerten dort, als würden sie von etwas, das im Zugwind schaukelte, verdeckt und wieder freigegeben. Das war zu viel für meine Nerven, obwohl ich spürte, dass es nicht mehr als ein dummer Scherz war. Ich hockte mich hin und fand, was ich suchte: eine kurze Eisenstange. Ich klemmte sie unter die Achsel und ging weiter. Das Eisen war kalt, feucht und rau vom Rost.
    Das zwinkernde Licht der fernen Lampen beleuchtete glitschige, glänzende Wände. Sie wiesen seltsame abgerundete Spuren auf. Zwei Reihen solcher Spuren zogen sich, so weit das Auge reichte, die Wand entlang. Sie waren durch Intervalle von einem Meter Breite getrennt. Man konnte meinen, ein Elefant sei kürzlich dort entlanggelaufen. Am Rand einer solchen Spur regte sich schwach ein zerdrückter weißer Tausendfüßler. Genug, dachte ich, es ist Zeit umzukehren. Unter den Lampen erkannte ich jetzt deutlich schwarze schwankende Girlanden. Ich fasste die Stange fester und schritt dicht an der Wand entlang weiter.
    Auch das war eindrucksvoll. Unter dem Tunnelgewölbe baumelten Kabel, und an ihnen schaukelten, mit den Schwänzen festgebunden und zu schweren, borstigen Trauben vereint, Hunderte von toten Ratten in der Zugluft. Unheimlich glänzten die kleinen gebleckten Zähne, steif ragten die Beinchen hervor. Die scheußlichen Girlanden verschwanden im Dunkel. Durchdringender, Brechreiz erregender Gestank füllte vom Gewölbe her den Tunnel, wabernd und dick, wie Mehlbrei …
    Schrill kreischend sprang mir eine große Ratte vor die Füße. Dann noch eine. Und noch eine. Ich prallte zurück. Sie kamen von dort, wo es keine Lampen gab. Plötzlich schlugen mir warme Luftstöße entgegen. Ich ertastete mit dem Ellbogen eine Nische in der Wand und zwängte mich hinein. Unter den Absätzen quiekte und zuckte etwas Lebendes – ohne hinzusehen, wehrte ich es mit der Stange ab. Die Ratten waren mir gleichgültig, denn ich hörte, wie jemand durch die Pfützen patschte und weich und schwer durch den Tunnel lief. Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, dachte ich. Die Eisenstange kam mir so leicht und nichtig vor im Vergleich zu den verknoteten Schienen … Das war kein fliegender Engel. Kein Dinosaurier aus dem Kongo … Bloß kein Gigantopithecus, mag es sein, was es will, bloß kein Gigantopithecus. Diese Esel wären imstande, einen Gigantopithecus einzufangen und in den Tunnel zu sperren. Ich konnte nicht denken … Ohne jeden Zusammenhang fiel mir Riemaier ein. Warum hatte er mich hierhergeschickt? War er nicht bei Trost? Bloß kein Gigantopithecus.
    Es jagte so schnell vorbei, dass ich nicht erkennen konnte, was es war. Der Tunnel dröhnte von seinem Galopp. Dann quiekte in der Nähe eine gefangene Ratte, und Stille trat ein. Vorsichtig blickte ich hinaus. Er stand zehn Schritt von mir entfernt, genau unter einer Lampe. Die Knie wurden mir weich, so ungeheuer erleichtert war ich.
    »Schlauköpfe«, sagte ich und weinte fast. »Witzbolde, autodidaktische. Auf so was muss man erst mal kommen! Echte Naturtalente …«
    Er hörte meine Stimme, hob die Heckbeine und sagte: »Wir werden ein Temperatürchen von zwei Metern und dreizehn Zoll haben, Feuchtigkeit ist nicht vorhanden, was nicht ist, das ist nicht.«
    »Wiederhole deinen Auftrag«, sagte ich und trat zu ihm.
    Er

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