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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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ich dem Empfangschef und fragte ihn, wie man am schnellsten zur Alten Metro käme.

9
    »Wären Sie doch am Abend gekommen, es ist noch viel zu früh.«
    »Ich möchte aber jetzt hinein.«
    »Sie wollen also unbedingt. Haben Sie sich auch nicht in der Adresse geirrt?«
    »Nein, nein, bestimmt nicht.«
    »Und es muss unbedingt jetzt sein?«
    »Unbedingt jetzt, nicht später.«
    Der Mann schnalzte und zupfte sich an der Unterlippe. Er war stämmig und hatte einen kugelrunden, glattrasierten Kopf. Beim Sprechen bewegte er kaum die Zunge, müde verdrehte er die Augen. Offenbar hatte er nicht genug geschlafen. Sein Freund, der hinter der Barriere in einem Sessel saß, schien ebenfalls nicht genug geschlafen zu haben. Er sprach kein Wort und blickte nicht einmal in meine Richtung. Der Raum war düster und muffig, die Wandverkleidung hatte sich gewellt und gelöst. Von der Decke hing eine staubige Glühbirne an einer schmutzigen Schnur.
    »Könnten Sie nicht doch später kommen?«, lallte der Dicke mit dem runden Kopf. »Wenn alle kommen …«
    »Aber ich wollte jetzt«, sagte ich bescheiden.
    »Wollen …« Er stöberte im Tischkasten. »Ich habe tatsächlich kein Formular mehr. El, hast du eins?«
    El bückte sich und zog unter der Barriere ein zerknittertes Blatt Papier hervor.
    Der Mann mit dem runden Kopf sagte gähnend: »Da kommen Sie vor Tau und Tag. Und hier ist doch überhaupt nichts los, Mädchen sind auch nicht da, die schlafen noch. Kein bisschen Spaß.« Er reichte mir das Formular. »Füllen Sie das bitte aus und unterschreiben Sie«, verlangte er. »El und ich unterschreiben als Zeugen. Ihr Geld lassen Sie hier … Keine Sorge, bei uns geht es ehrlich zu. Haben Sie irgendwelche Papiere bei sich?«
    »Nein.«
    »Auch gut.«
    Ich las das Formular. »Hiermit bitte ich, der Unterzeichnende … dringend, mich den Aufnahmeprüfungen zur Erlangung der Mitgliedschaft in der DOZ-Gesellschaft zu unterziehen. Unterschrift des Antragstellers. Unterschriften der Zeugen«.
    »Was ist DOZ?«, fragte ich.
    »So sind wir registriert«, antwortete der mit dem runden Kopf. Er zählte das Geld.
    »DOZ lässt sich doch bestimmt irgendwie entschlüsseln?«
    »Was weiß ich … Das war schon vor meiner Zeit so. DOZ und DOZ … Hast du eine Ahnung, El?«
    El schüttelte träge den Kopf.
    »Kann Ihnen das denn nicht egal sein?«
    »Absolut«, sagte ich, setzte meinen Namen ein und unterschrieb. Der Rundköpfige sah es sich an, setzte ebenfalls seinen Namen ein und unterschrieb. Dann reichte er das Formular El. »Sie sind Ausländer?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Dann schreiben Sie Ihre Heimatanschrift auf. Haben Sie Verwandte?«
    »Nein.«
    »Dann ist es nicht nötig. Fertig, El? Leg’s in die Mappe … Nun, gehen wir?«
    Er klappte die Barriere hoch und führte mich zu einer massiven quadratischen Tür, die sicher noch aus der Zeit stammte, als die Metro zum Atombunker ausgebaut worden war.
    »Wir haben ja doch keine Wahl«, sagte er, als wolle er sich rechtfertigen. Er schob die Riegel zurück und drehte mit Anstrengung den rostigen Griff. »Immer geradeaus den Korridor entlang«, sagte er. »Dann sehen Sie es schon.«
    Mir war, als kicherte El hinter uns. Ich wandte mich um. In die Barriere vor El war ein kleiner Bildschirm eingelassen. Darauf bewegte sich etwas Undefinierbares. Der Mann mit dem runden Kopf legte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Griff und schob die Tür beiseite. Ein staubiger Gang tat sich auf. Ein paar Sekunden lang lauschte der Rundköpfige, dann wiederholte er: »Geradeaus den Korridor entlang.«
    »Und was erwartet mich dort?«, fragte ich.
    »Sie werden bekommen, was Sie wollten. Oder haben Sie es sich anders überlegt?«
    All dies war offensichtlich nicht das, was ich suchte, aber bekanntlich geht Probieren über Studieren. So überschritt ich die hohe Schwelle, und die Tür schloss sich schmatzend hinter mir. Die Riegel schepperten.
    Der Korridor wurde von ein paar heil gebliebenen Lampen erhellt. Es war feucht, an den Zementwänden blühte Schimmel. Außer einem spärlichen Tropfen war nichts zu hören. Vorsichtig bewegte ich mich vorwärts. Unter meinen Füßen knirschten Zementkrümel. Der Korridor mündete in einen gewölbten Betontunnel, der kaum beleuchtet war. Als sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, erkannte ich ein Schienengleis. Die Schienen waren verrostet, schwarze Wasserpfützen standen zwischen ihnen. Unter dem Gewölbe baumelten Leitungen. Die Feuchtigkeit, die hier herrschte,

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