Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
ließ pfeifend Druckluft aus den Saugvorrichtungen entweichen, zuckte mit den Beinen und lief zur Decke hinauf.
»Komm herunter«, befahl ich streng. »Und beantworte meine Frage!«
Er hing über mir zwischen den verschimmelten Leitungen, ein längst veralteter Kyber, der für Arbeiten auf den Asteroiden vorgesehen war, erbärmlich und unsinnig, verrottet von der Karbonkorrosion und mit schwarzem Schlamm bekleckst.
»Komm herunter!«, brüllte ich.
Er schleuderte eine krepierte Ratte nach mir und jagte ins Dunkel davon.
»Basalte! Granite!«, heulte er in allen Tonarten. »Pseudometamorphe Arten! Ich bin über Berlin! Wie hört ihr mich? Zeit zum Schlafen!«
Ich warf die Stange hin und folgte ihm. Bei der nächsten Lampe stieg er herunter und scharrte geschwind wie ein Hund mit den Manipulatoren auf dem Beton. Der arme Kerl, selbst in seinen besten Zeiten funktionierte sein Gehirn nur bei einer Schwere von einem Hundertstel der irdischen, jetzt war er völlig unzurechnungsfähig. Ich bückte mich und tastete unter seinem Panzer nach den Reglern. »Dreckskerle«, sagte ich laut. Die Regler waren plattgedrückt, als hätte man mit einem Vorschlaghammer darauf gehauen. Er hörte auf zu scharren und packte mein Bein.
»Stopp!«, schrie ich. »Loslassen!«
Er legte sich auf die Seite und teilte in tiefem Bass mit: »Er hat mich zu Tode gelangweilt, El. Einen Brandy müsste man jetzt trinken …«
In seinem Inneren knackten Kontakte, und Musik ertönte. Kratzend und quietschend spielte er den »Jägermarsch«. Ich sah ihn an und dachte, wie dumm und widerwärtig das doch alles war, wie lächerlich und schrecklich zugleich. Wäre ich kein Sternenfahrer gewesen – ich hätte in panischer Angst Reißaus genommen. Und wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihm umgebracht worden. Aber hier wusste doch niemand, dass ich Interplanetarier war … Niemand. Kein Mensch. Auch Riemaier nicht.
»Steh auf«, sagte ich.
Er summte und begann, in der Wand zu stochern. Da drehte ich mich um und ging. Während ich den Korridor zurück bis zur Eingangstür lief, hörte ich ihn in dem Haufen verbogener Schienen rasseln und klappern, mit dem Elektroschweißer fauchen und zweistimmig Unsinn plappern.
Die Atomschutztür war schon geöffnet. Ich stieg über die Schwelle und knallte sie hinter mir zu.
»Na, wie war’s?«, fragte der Rundköpfige.
»Blöd«, sagte ich.
»Ich wusste ja nicht, dass Sie Interplanetarier sind. Sie haben im Kosmos gearbeitet?«
»Ja, habe ich. Trotzdem ist es blöd. Das ist was für Dummköpfe. Für analphabetische, exaltierte Dummköpfe.«
»Was für welche?«
»Exaltierte.«
»Aha … Nun, das dürfen Sie nicht glauben. Vielen gefällt es. Und ich habe Ihnen ja gleich gesagt, Sie hätten am Abend kommen sollen. Für Einzelgänger haben wir überhaupt wenig Zerstreuung hier …« Er schenkte Whisky ein und fügte Sodawasser aus einem Siphon hinzu. »Wollen Sie?«
Ich nahm das Glas und stützte mich mit dem Ellbogen auf die Barriere. El, dem eine Zigarette an der Lippe klebte, starrte mürrisch auf den Bildschirm. Glitschige Tunnelwände huschten darüber, verdrehte Schienen, schwarze Pfützen; die Funken des Elektroschweißers sprühten.
»Das ist nichts für mich«, erklärte ich. »Sollen sich die Buchhalter und Friseure damit abgeben. Ich habe natürlich nichts gegen die, aber ich suche etwas, was mir noch nie im Leben begegnet ist.«
»Sie wissen also selbst nicht, was Sie wollen«, stellte der Rundköpfige fest. »Ein schwieriger Fall. Verzeihung, sind Sie ein Intel?«
»Wieso?«
»Nun, denken Sie bloß nichts Schlimmes, vor dem Knochenmann sind wir ja alle gleich. Was ich sagen will, ist, dass die Intels die anspruchsvollsten Kunden sind, weiter nichts. Stimmt’s, El? Wenn zum Beispiel ein Buchhalter kommt oder ein Friseur, weiß er genau, was er will. Er will sein Blut in Wallung bringen, um sich zu beweisen, um stolz auf sich zu sein. Er will, dass die Mädchen kreischen, will allen die Narben an seinem Körper zeigen. Das sind einfache Burschen, und jeder möchte sich als Mann fühlen. Wer ist er denn, unser Kunde? Besondere Fähigkeiten hat er nicht, braucht er auch gar nicht zu haben … Ja, früher waren sie wenigstens neidisch aufeinander, das hab ich mal in einem Buch gelesen. Der Nachbar, sagt der eine, lebt wie die Made im Speck, und ich kann mir nicht mal einen Kühlschrank leisten – ist denn das auszuhalten? Natürlich klammerten sie sich mit den Zähnen an ihren Trödel,
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