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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Sie mal, ich bin doch erst gestern angekommen.«
    »Haben Sie zufällig noch andere Brüder hier?«
    »Jedenfalls nicht unter Ihren Freunden«, parierte ich. »Mit Ausnahme von Riemaier natürlich …«
    Während wir so schwatzten, musterte ich ihn. Flink und wendig schien er nicht zu sein, selbst wenn man meine kranke Schulter in Betracht zog. Aber er behielt ständig die Hände in den Taschen. Und obwohl ich beinahe überzeugt war, dass er im Hotel nicht schießen würde, hatte ich keine Lust, ein Risiko einzugehen. Umso weniger, als ich gelegentlich von Quantenpistolen mit begrenzter Wirkung gehört hatte.
    Man hatte mir schon oft vorgeworfen, meine Absichten ließen sich deutlich vom Gesicht ablesen. Und Oscar war, wie es schien, recht scharfblickend. Doch hatte er anscheinend nichts Brauchbares in seinen Taschen und behielt die Hände einfach so darin.
    Er trat von der Tür zurück und sagte: »Bitte.«
    Wir traten ein. Riemaier ging es tatsächlich schlecht. Er lag auf der Liege, war mit einem zerrissenen Vorhang zugedeckt und redete im Fieber. Ich verstand ihn nicht. Der Tisch war umgekippt, in einer Alkohollache schwamm eine zerschlagene Flasche, überall waren zerknitterte, feuchte Kleidungsstücke verstreut. Ich setzte mich zu Riemaier, doch so, dass ich Oscar, der mit dem Rücken zum Fenster stand, nicht aus den Augen verlor.
    »Riemaier!«, rief ich und beugte mich über ihn. »Ich bin es, Iwan. Erkennen Sie mich?«
    Er starrte mich stumpf an. Am Kinn hatte er eine frische Schramme unter den Bartstoppeln. »Warst du schon …«, murmelte er. »Fischer … damit’s lange … vorbei ist … Nicht böse sein. Es störte … Ich ertrag es nicht …«
    Das war Fieberwahn. Ich blickte Oscar an. Er hörte begierig zu, den Hals gereckt.
    »Es ist gut aufzuwachen …«, murmelte Riemaier. »Keiner soll … aufwachen … Fängt man an … soll man nicht aufwachen …«
    Oscar gefiel mir immer weniger. Mir gefiel nicht, dass er Riemaier fantasieren hörte. Mir gefiel nicht, dass er vor mir hier gewesen war. Und außerdem gefiel mir die Schramme an Riemaiers Kinn nicht, die noch ganz frisch war. Rotfresse, dachte ich, als ich Oscar ansah, wie werde ich dich los?
    »Er braucht einen Arzt«, sagte ich. »Warum haben Sie keinen Arzt gerufen, Oscar? Meiner Ansicht nach ist das Delirium tremens …«
    Sogleich bedauerte ich meine Worte. Riemaier roch zu meiner Überraschung überhaupt nicht nach Alkohol, und Oscar wusste das offensichtlich sehr gut. Er gab ein Grunzen von sich und fragte: »Delirium tremens? Sind Sie sicher?«
    »Wir müssen unverzüglich einen Arzt rufen«, wiederholte ich. »Und eine Krankenpflegerin.«
    Ich griff nach dem Telefonhörer. Im Nu war er bei mir und legte seine Hand auf meine.
    »Warum Sie?«, fragte er. »Lassen Sie mich den Arzt rufen. Sie sind neu hier, und ich kenne einen sehr guten.«
    »Was soll das für ein Arzt sein«, entgegnete ich und blickte auf die Schramme an seinen Fingerknöcheln. Sie war ebenfalls frisch.
    »Ein sehr guter Arzt. Und zufällig Spezialist für Säuferwahn.«
    »Bitte«, erwiderte ich. »Aber vielleicht leidet Riemaier gar nicht an Säuferwahn.«
    Plötzlich sagte Riemaier: »Ich habe es befohlen …Also sprach Riemaier … Allein mit der Welt …«
    Wir wandten uns um. Er sprach hochmütig, doch seine Augen waren geschlossen, und sein graues, faltiges Gesicht sah jämmerlich aus. Oscar, du Lump, dachte ich, du hast die Stirn, hier herumzustehen … Mir kam plötzlich ein wilder Gedanke, der mir in dem Moment sehr brauchbar schien: Ich würde Oscar durch einen Schlag auf den Solarplexus zu Boden werfen, fesseln und zwingen mir zu sagen, was er wusste. Er wusste sicherlich eine Menge. Vielleicht sogar alles. Er schaute mich an, und in seinen fahlen Augen lagen Angst und Hass.
    »Gut«, sagte ich. »Soll der Empfangschef einen Arzt rufen.«
    Er nahm die Hand weg, und ich telefonierte mit dem Empfangschef. Dann setzte ich mich neben Riemaier, um auf den Arzt zu warten, während Oscar von einer Ecke in die andere ging und immer einen großen Schritt über die Alkohollache machte. Ich beobachtete ihn verstohlen. Plötzlich bückte er sich und hob etwas vom Fußboden auf. Etwas Kleines, Buntes.
    »Was ist das?«, fragte ich gleichgültig.
    Er zögerte ein wenig, dann warf er mir ein flaches Schäch telchen mit einem bunten Etikett zu.
    »Ach«, sagte ich. »Dewon?«
    »Dewon«, antwortete er. »Merkwürdig, dass es hier liegt und nicht im Badezimmer, nicht

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