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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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ihn.
    NATALJA : Wenn das eine Komödie sein soll, warum sind wir dann nicht lustig?
    SNEGIRJOW fröhlich: Das ist eine besondere Komödie. Eine, bei der es nichts zu lachen gibt. Eine Komödie, bei der einem die Tränen kommen.
    Wieder schweigen alle. Jeder versucht zu begreifen, was plötz lich in den Anwärter gefahren ist.
    IWAN DAWYDOWITSCH : Ich möchte mit dem Anwärter unter vier Augen sprechen.
    PAWEL PAWLOWITSCH : Ich auch.
    IWAN DAWYDOWITSCH : In welchen Raum können wir uns zurückziehen, Felix Alexandrowitsch?
    SNEGIRJOW : Wozu die Geheimniskrämerei? Na gut, meinetwegen. Gehen wir ins Schlafzimmer.
    Im Schlafzimmer setzt sich Snegirjow auf die Liege, während Iwan Dawydowitsch auf einem Stuhl ihm gegenüber Platz nimmt.
    IWAN DAWYDOWITSCH : Also, wenn ich Ihr Verhalten richtig deute, dann haben Sie endlich eine Wahl getroffen?
    SNEGIRJOW : Was für eine Wahl? Den Tod oder die Unsterblichkeit? Hören Sie, die Unsterblichkeit ist ja vielleicht keine schlechte Sache, ich weiß nicht … aber in dieser Runde … In dieser Runde kann man höchstens Leichen waschen.
    IWAN DAWYDOWITSCH : Ach, Felix Alexandrowitsch, Sie machen mir Sorgen! Der Tod ist doch noch viel schlimmer. Natürlich, einerseits haben Sie recht. Wenn ein gewöhnlicher Sterblicher zufällig unsterblich wird, verwandelt er sich in zwei, drei Jahrhunderten unweigerlich in einen Monomanen. Die Charaktereigenschaft, die in den ersten Lebensjahren überwog, wird mit der Zeit zu seiner einzigen. So war es bei Ihrer Erotomanin Natalja Petrowna, einst Marketenderin bei einem Reitertross – heute ist bei ihr nur noch die Marketenderin übrig. Und – nichts für ungut, Felix Alexandrowitsch – man muss schon ein so anspruchsloser Bock sein wie Sie, um in ihr noch eine Frau zu sehen.
    SNEGIRJOW : Na, wissen Sie, Ihr Pawel Pawlowitsch ist auch nicht besser.
    IWAN DAWYDOWITSCH : Keine Spur! Ich weiß zwar nicht, wie er früher war – er ist nämlich schon sehr alt –, aber heute ist er bloß noch eine einzige große Geschmackspapille.
    SNEGIRJOW : Gut gesagt!
    IWAN DAWYDOWITSCH : Vielen Dank. Überhaupt habe ich den Eindruck, Felix Alexandrowitsch, dass ich Ihnen von der ganzen Runde am wenigsten zuwider bin. Sehe ich das richtig?
    SNEGIRJOW zuckt unschlüssig die Achseln.
    IWAN DAWYDOWITSCH : Ich danke Ihnen nochmals. Und eben darum wollte ich mich einmal ohne Zeugen mit Ihnen unterhalten. Damit Sie nicht immerzu die anderen widerlichen Visagen vor Augen haben. Ich will Ihnen nichts vormachen: Ich bin ein kalter, gleichgültiger und grausamer Mensch. Anders kann es auch gar nicht sein. Ich bin fünfhundert Jahre alt. In einer so langen Zeit verliert man, ob man will oder nicht, den Glauben an solche Hirngespinste wie Liebe, Freundschaft, Ehre und so weiter. So sind wir alle. Ich aber lebe im Gegensatz zu meinen Gefährten für eine Idee. Für mich gibt es in dieser Welt noch etwas, was man weder essen noch begrapschen oder sich unter den Hintern schieben kann, um noch weicher zu sitzen. Im Laufe meines Lebens habe ich hundertsieben Entdeckungen und Erfindungen gemacht. Ich habe den Phosphor schon fünfzig Jahre vor Brand bestimmt, habe die Chromatografie zwanzig Jahre vor Tswett erfunden und das Periodensystem ungefähr in derselben Zeit entwickelt wie Dmitri Iwanowitsch Mendelejew. Aus den bekannten Gründen musste ich Geheimhaltung wahren, sonst wäre mein Name in die Geschichte eingegangen – und das wäre zu gefährlich gewesen. Zeit meines Lebens befasse ich mich mit dem, was man heute als Elixiersynthese bezeichnen würde. Ich möchte, dass es genug von diesem Elixier gibt. Nein, nein, nicht aus humanitären Erwägungen! Das Schicksal der Menschheit interessiert mich nicht. Ich habe meine eigenen Gründe. Der simpelste davon ist: Ich habe es satt, im Untergrund zu hocken und vor jedem Gendarm zittern zu müssen. Ich habe es satt, meine Zeitgenossen bei Entdeckungen zu übertrumpfen und immer nur die Nummer null zu sein. Ich möchte die Nummer eins sein. Aber ich habe niemanden, auf den ich mich stützen könnte. Es gibt nur vier Menschen auf der ganzen Welt, denen ich mich anvertrauen kann, aber die sind für mich absolut unbrauchbar. Was ich brauche, ist ein Gehilfe! Ein intelligenter Gesprächspartner, der die Schönheit eines Gedankens zu schätzen weiß – und nicht nur die Schönheit eines Weibes oder einer Pirogge mit Weißkraut. Ein solcher Gehilfe könnten Sie mir sein. Im Grunde genommen hat Kurdjukow mir einen Dienst erwiesen, als

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