Gesammelte Werke 6

noch zu erklären?
    NATALJA sich an den Kopf fassend: Hör endlich auf zu jammern!
    IWAN DAWYDOWITSCH : Felix Alexandrowitsch, es ist ein unglücklich gewählter Augenblick, um originell sein zu wollen.
    PAWEL PAWLOWITSCH : Genau. Erklären Sie sich!
    KURDJUKOW : Was gibt es da zu erklä…
    Iwan Dawydowitsch wirft ihm einen so finsteren Blick zu, dass Kurdjukow das Wort im Halse stecken bleibt.
    SNEGIRJOW : Ich habe nicht die Absicht, Ihr Spiel mitzu spielen.
    NATALJA zärtlich: Du Dummchen, das ist doch kein Spiel! Du kommst und kommst nicht von deinem Rationalismus weg. Die bringen dich einfach um. Weil das nämlich kein Spiel ist. Das ist ein Stück deines Lebens. Vielleicht das allerletzte.
    KURDJUKOW : Wieso mischt die sich ein? Was drängt sie sich dazwischen? Seit wann reden wir jemandem dabei zu?
    NATALJA zeigt mit dem Finger auf Snegirjow: Ich bin aber für ihn.
    KURDJUKOW : Das ist gegen die Regeln!
    NATALJA : Wenn er dich erwürgen will – ich bin dabei. Du Stinktier!
    Kurdjukow schlägt die Hände vors Gesicht und lässt sich winselnd die Wand hinabgleiten.
    PAWEL PAWLOWITSCH : Magister, vielleicht kann Felix Alexandrowitsch sich bloß den konkreten Ablauf nicht vorstellen? Vielleicht sollten wir ihn in die Einzelheiten einweihen?
    IWAN DAWYDOWITSCH : Vielleicht. Versuchen wir’s. Also, Felix Alexandrowitsch, sobald Sie die Unsterblichkeit wählen, werden Sie zum Anwärter. In diesem Fall wird über Ihre Kandidatur durch einfache Stimmenmehrheit entschieden. Dann müssen Sie und Herr Kurdjukow die Sache unter sich ausmachen. Sie können sich duellieren oder das Los sprechen lassen, das liegt ganz bei Ihnen. Wir unsererseits kümmern uns darum, dass Ihr Wettstreit keine unerwünschten Komplikationen nach sich zieht: durch die Beseitigung der Leiche, die Beschaffung eines Alibis, die nötigen falschen Zeugenaussagen und so weiter. Ist Ihnen der Ablauf jetzt klar?
    SNEGIRJOW entschlossen: Machen Sie, was Sie wollen. Ich spiele dieses Spiel vom »sechsten Rad am Wagen« nicht mit.
    PAWEL PAWLOWITSCH erschüttert: Sie wollen Ihre Chance, die Unsterblichkeit zu erlangen, nicht nutzen?
    SNEGIRJOW schweigt.
    PAWEL PAWLOWITSCH begeistert: Herrschaften! Ist das ein interessantes Exemplar! Das hätte ich nie gedacht! Ein Schreiberling, ein Tintenkleckser! Wissen Sie was, Herrschaften, ich glaube, ich bin auch für ihn. Ich bin konservativ und kein Freund von Neuerungen, aber wenn die Dinge eine solche Wende nehmen! Entweder begreife ich überhaupt nichts, oder es ist endlich doch eine neue Zeit angebrochen. Der Homo novus? …
    KURDJUKOW jammernd: Von wegen Homo novus! Warum lassen Sie sich für dumm verkaufen? Der verrät Sie doch! Der verrät Sie! Heute tut er so, als wäre er einverstanden, und morgen verrät er Sie! Sehen Sie ihn sich doch an! Was soll so einer mit der Unsterblichkeit? Das ist ein Humanist, der hat Prinzipien! Der Mann hat zwei Enkel. Wie könnte er auf die verzichten? Nun, Felix, sag du’s ihnen: Was nützt dir die Unsterblichkeit, wenn deine Hände mit Blut besudelt sind? Schließlich wirst du mich abschlachten müssen. Wie willst du deiner Lisa dann noch in die Augen sehen?
    NATALJA spöttisch: Wieso mischt der sich ein? Was drängt er sich dazwischen? Seit wann raten wir jemandem dabei ab?
    KURDJUKOW ohne auf sie zu hören: Felix! Hör auf mich, ich kenne dich doch, das ist nichts für dich. Die Unsterblichkeit ist kein Leben. Wenn du so willst, ist das eine ganz andere Existenz. Ich weiß doch, worauf es dir ankommt. Du brauchst Freundschaft und Liebe. Damit aber ist dann Schluss. Wie sollte es auch anders sein? Du musst dich dein Leben lang verstecken – vor deiner Tochter, vor deinen Enkeln … Sie werden älter, du nicht. Und auch vor der Obrigkeit musst du dich verstecken. Zehn Jahre kannst du an einem Ort bleiben, länger nicht! Und das jahrhundertelang. Drohend: Und dann wirst du so sein wie wir. So wie ich. Magst du mich etwa sehr, Felix? Sieh her, sieh genau her – ich bin dein Spiegelbild.
    Alle hören interessiert zu.
    PAWEL PAWLOWITSCH zustimmend: Nicht schlecht, gar nicht schlecht geschildert. Ich würde noch Schmalhausen zitieren:»Die Natur nahm uns die Unsterblichkeit und gab uns dafür die Liebe.« Aber das gilt auch umgekehrt, Herrschaften! Auch umgekehrt!
    KURDJUKOW ohne hinzuhören: Felix, man braucht schon ein besonderes Talent, um an der Unsterblichkeit Gefallen zu finden. Mehr Talent als zum Wodkatrinken oder zum Bekritzeln von Papier.
    SNEGIRJOW : Was willst du