Gesammelte Werke 6
mich überreden? Überrede lieber deine Dinosaurier, damit sie mich in Ruhe lassen. Deine Unsterblichkeit will ich nicht mal geschenkt.
PAWEL PAWLOWITSCH : Erlauben Sie mal! Gehen Sie da nicht ein bisschen zu weit, Felix Alexandrowitsch? Die Unsterblichkeit ist schließlich ein uralter Traum des Menschengeschlechts. Viele große Männer wären für sie durch Ströme von Blut gewatet. Ist es nicht Hochmut, der da aus Ihnen spricht? Oder glauben Sie immer noch nicht daran?
SNEGIRJOW : Was Sie mir da antragen, ist nicht Unsterblichkeit, sondern Mord.
KURDJUKOW leidenschaftlich: Ein Mord, Felix, ein Mord!
SNEGIRJOW : Ja, große Männer – ich weiß schon, wen Sie meinen. Dschingis-Khan, Tamerlan … Das sind für mich keine Vorbilder, diese Verrückten hasse ich seit meiner Kindheit.
KURDJUKOW liebedienerisch: Das sind Blutsauger, Sadisten.
SNEGIRJOW : Sei still! Ich habe dich nie sonderlich gemocht, warum auch, aber jetzt bist du mir regelrecht zuwider. Ich habe jetzt gesehen, was du für einer bist: Ein Halunke bist du. Aber umbringen … Nein, das ist Wahnsinn! Gar nicht dran zu denken!
PAWEL PAWLOWITSCH : Aber mein Freund, wollen Sie die Unsterblichkeit etwa umsonst haben? Das ist ja drollig! Haben Sie in Ihrem Leben denn schon viel umsonst gekriegt? Wenn Sie nur auf die Warteliste für eine Genossenschaftswohnung wollen, müssen Sie sich schon im Dreck wälzen. Hier aber handelt es sich um die Unsterblichkeit!
SNEGIRJOW : Nichts kriegt man umsonst, das stimmt. Aber auch im Dreck habe ich mich nie gewälzt.
KURDJUKOW : Wirklich nicht?
SNEGIRJOW : Ich bin auch keinem in den Hintern gekrochen wie gewisse andere Leute. Ich habe gearbeitet. Alles hab ich mir erarbeitet.
PAWEL PAWLOWITSCH : Na, dann arbeiten Sie jetzt eben noch einmal.
SNEGIRJOW finster: Das ist keine Arbeit.
KARIERTER und NATALJA einstimmig: Wieso ist das keine Arbeit?
Pawel Pawlowitsch grinst. Snegirjow mustert alle der Reihe nach.
SNEGIRJOW : Herrschaften! Es ist unfassbar – Puschkin musste sterben, und solche Leute sind unsterblich. Kopernikus musste sterben. Galilei musste sterben.
KURDJUKOW wutschnaubend: Da haben Sie’s! Da haben Sie’s! Ein widerlicher Moralist, wie er leibt und lebt! Begreifen Sie immer noch nicht, mit wem Sie es hier zu tun haben?
NATALJA : Tja, Felix. Ein Galilei bin ich natürlich nicht, aber mit Aphrodite hast du mich, wenn ich mich recht erinnere, oft verglichen.
PAWEL PAWLOWITSCH schulmeisterhaft: Das Leben und die Unsterblichkeit – beides wird uns vom Schicksal zugeteilt. Das Leben bekommen wir – dank der Sünden unserer Eltern – umsonst, für die Unsterblichkeit aber müssen wir zahlen. Also, Herrschaften, wie mir scheint, ist die Frage gelöst. Felix Alexandrowitsch wird sich noch etwas sträuben und schließlich einsehen, dass das Leben dem Menschen nur einmal gegeben wird, und wenn sich schon mal die Möglichkeit bietet, dieses Leben auf unbestimmte Zeit zu verlängern, dann muss man die Möglichkeit nutzen – egal, ob man nun Galilei, Belisar, Snegirjow, Petrow oder Iwanow heißt. Felix Alexandrowitsch gefällt der Preis nicht, den er dafür zahlen soll. Auch das ist kein Beinbruch. Er wird in sich gehen, eine Weile schmollen und sich notfalls die Nase zuhalten, wenn es ihm so sehr gegen den Strich geht. Übrigens scheinen Sie zu glauben, Felix Alexandrowitsch, Sie müssten Ihrem Nebenbuhler die Kehle mit einem stumpfen Messer durchsäbeln oder, na, so wie er Sie … mit dem Stemmeisen … oder dem Pfriem.
KURDJUKOW : Nur mit Degen!
PAWEL PAWLOWITSCH : Warum müssen es denn ausgerechnet Degen sein? Wie wäre es mit zwei kleinen Pillen, völlig gleich in Aussehen, Farbe und Geruch? Fingert aus seiner Uhrtasche ein flaches, rundes Schächtelchen, öffnet es und lässt seinen Inhalt von Weitem sehen. Sie nehmen sich eine heraus, und Ihr Nebenbuhler nimmt die, die übrig bleibt. Das Ganze dauert nicht länger als eine halbe Minute. Und keinerlei Qualen oder Krämpfe, das Rezept ist uralt und mehrfach erprobt. Beachten Sie: keinerlei Torturen. Das Schicksal entscheidet!
KURDJUKOW schreiend: Nur mit Degen!
NATALJA nachdenklich: Ein eindrucksvolleres Schauspiel wäre es natürlich mit Degen.
PAWEL PAWLOWITSCH : Erstens: woher die Degen nehmen? Zweitens: Wo sollen sie sich schlagen? Hier, in diesem Zimmer? Draußen auf dem Platz? Wo? Drittens: wohin mit der durchstochenen und zersäbelten Leiche? Natürlich wäre das ein viel imposanteres Schauspiel. Besonders, wenn man bedenkt, dass Felix
Weitere Kostenlose Bücher