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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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riesigen Gebäude war alles still, und er hörte deutlich Dianas Schritte im Korridor. Wider Erwarten ging sie jedoch nicht nach rechts, sondern nach links. Dann knarrte eine Tür, und die Schritte verhallten. Er drehte sich auf die Seite und versuchte vergeblich wieder einzuschlafen. Als er begriff, dass er auf Dianas Rückkehr wartete und vorher doch nicht mehr einschlafen würde, setzte er sich auf und steckte sich eine Zigarette an. In der Beule pochte es, und Viktor verzog das Gesicht. Diana kam nicht zurück. Aus unerfindlichen Gründen musste er an den Tänzer mit dem Adlerprofil denken. Was hatte der damit zu tun? Ein Schauspieler, der einen Schauspieler spielt, der einen Schauspieler spielt … Ach, jetzt fällt’s mir wieder ein: Der war ja von links gekommen, genau aus der Richtung, in die Diana gegangen ist. Auf dem Treppenabsatz verwandelte er sich in einen Playboy. Erst spielte er den Salonlöwen und dann einen lockeren Vogel … Wieder horchte Viktor. Es war mucksmäuschenstill, alles schlief. Irgendjemand schnarchte. Dann knarrte wieder eine Tür, und Schritte kamen näher. Diana trat ein. Ihr Gesicht wirkte nach wie vor ernst. Die Sache war noch nicht ausgestanden. Diana ging zum Telefon und wählte eine Nummer.
    »Er ist nicht da«, sagte sie. »Nein, nein, er ist weg. Ich auch … Aber nicht doch, das macht doch nichts. Gute Nacht.«
    Sie legte auf, starrte eine Weile in das Dunkel vor dem Fenster und setzte sich dann neben Viktor aufs Bett. Sie hielt eine Taschenlampe in der Hand. Viktor zündete eine Zigarette an und reichte sie ihr. Sie rauchte schweigend, dachte angestrengt nach und fragte dann: »Wann bist du eingeschlafen?«
    »Ich weiß nicht, schwer zu sagen.«
    »Aber erst nach mir?«
    »Ja.«
    Sie wandte ihm das Gesicht zu.
    »Hast du nichts gehört? Keinen Streit, keine Balgerei?«
    »Nein«, antwortete Viktor. »Es war alles sehr friedlich. Erst haben sie gesungen, dann hat Roßschäper mit seiner Truppe unter unserem Fenster gepinkelt, und dann bin ich eingeschlafen. Sie wollten auch gleich nach Hause fahren.«
    Diana warf die Zigarette aus dem Fenster und stand auf.
    »Zieh dich an«, sagte sie.
    Viktor grinste und griff nach seiner Unterhose. Dein Wunsch ist mir Befehl, dachte er. Gehorchen ist doch etwas Schönes. Man darf nur nicht viel fragen.
    Also fragte er: »Fahren wir, oder gehen wir zu Fuß?«
    »Was? Erst gehen wir zu Fuß, und dann sehen wir weiter.«
    »Wird jemand vermisst?«
    »Scheint so.«
    »Roßschäper?«
    Plötzlich spürte er ihren Blick auf sich ruhen. Sie sah ihn zweifelnd an. Es tat ihr wohl schon leid, ihn zum Mitkom men aufgefordert zu haben, und schien sich zu fragen: Warum soll ich den eigentlich mitnehmen?
    »Ich bin fertig«, sagte er.
    Sie schwankte noch und spielte nachdenklich mit der Taschenlampe.
    »Na schön, dann gehen wir.« Sie rührte sich nicht vom Fleck.
    »Soll ich vielleicht ein Stuhlbein abbrechen?«, schlug Viktor vor. »Oder einen Bettfuß?«
    Sie zuckte zusammen.
    »Nein. Wir brauchen kein Stuhlbein.« Sie zog den Tischkasten auf und entnahm ihm eine große schwarze Pistole. »Hier«, sagte sie.
    Viktor stutzte, aber wie sich herausstellte, handelte es sich nur um eine kleinkalibrige Sportpistole. Außerdem war das Magazin leer.
    »Gib mir Patronen«, bat Viktor.
    Sie sah ihn verständnislos an, blickte dann auf die Pistole und sagte: »Nein. Patronen brauchen wir nicht. Komm.«
    Viktor zuckte mit den Achseln und steckte die Pistole ein. Sie gingen ins Vestibül hinunter und gelangten auf die Freitreppe. Der Nebel hatte sich gelichtet, es nieselte. Die Fahrzeuge waren verschwunden. Diana bog in einen kleinen Pfad ein, der zwischen nassen Sträuchern hindurchführte, und knipste die Taschenlampe an. Eine dumme Situation, dachte Viktor. Man darf nicht mal fragen, was los ist. Ich müsste mir was einfallen lassen und hintenherum fragen, nicht direkt, sondern eine Bemerkung fallenlassen, die eine Frage enthält. Vielleicht werde ich mich prügeln müssen? Nein, dazu hab ich keine Lust. Heute nicht. Ich werde mit dem Pistolengriff zuschlagen. Direkt zwischen die Augen … Und was macht meine Beule? Sie war an Ort und Stelle und tat weh. Merkwürdige Aufgaben hat eine Krankenschwester in diesem Sanatorium … Aber ich war schon immer der Meinung, dass Diana eine Frau mit einem Geheimnis ist. Bei der ersten Begegnung und all die fünf Tage … Ist das nass, ich hätte noch einen kräftigen Schluck nehmen sollen. Wenn ich zurück bin,

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