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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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bitte, was ist die Seele?«
    »Die – hup! – Seele«, antwortete der Metaphysiker, indem er sich auf sein Manuskript bezog, »ist unzweifelhaft – – –«
    »Nein, mein Herr!«
    »Ganz zweifellos – – –«
    »Nein, mein Herr!«
    »Unbestreitbar – – –«
    »Nein, mein Herr!«
    »Erwiesenermaßen – – –«
    »Nein, mein Herr!«
    »Unstreitig – – –«
    »Nein, mein Herr!«
    »Hup! – – –«
    »Nein, mein Herr!«
    »Und ohne jede Frage ein – – –«
    »Nein, mein Herr, die Seele ist nichts dergleichen!«
    (Hier nahm der Philosoph, indem seine Augen Blitze schossen, die Gelegenheit wahr, auf einen Schlag seiner dritten Flasche Chambertin ein Ende zu bereiten.)
    »Dann – hup! – bitte, mein Herr – was – was ist sie?«
    »Gehört nicht hierher, Herr Bon-Bon«, antwortete Seine Majestät in tiefem Nachdenken. »Ich habe einige sehr schlechte, aber auch einige recht gute Seelen genossen – das heißt gekannt.« Dabei leckte er sich die Lippen, und seine Hand berührte unbewusst den Band in seiner Tasche, worauf er in einen heftigen Niesanfall ausbrach.
    Er fuhr fort:
    »Die Seele von Cratinus – leidlich; Aristophanes – pikant; Plato – köstlich; nicht dein Plato ist hier gemeint, sondern der Lustspieldichter gleichen Namens; bei deinem Plato würde dem Cerberus selbst übel geworden sein – pfui! Also weiter! Naevius, Andronicus, Plautus, Terenz. Dann Lucilius, Catull, Naso, Quintus Flaccus – das gute Quintchen! wie ich ihn nannte, als er zu meiner Belustigung ein Faeculare vortrug, während ich ihn in bester Laune auf einer Gabel briet. Aber es fehlt diesen Römern an Aroma. Ein fetter Grieche ist ein Dutzend von ihnen wert, hält sich außerdem vorzüglich, was man aber von den Quiriten nicht behaupten kann. Jetzt probieren wir deinen Sauternes.«
    Als die Sache nun so weit gediehen war, hatte sich Bon-Bon zum nil admirari durchgerungen und ließ es sich angelegen sein, die geforderten Flaschen herüberzureichen. Zugleich aber drang ein merkwürdiges, im Raum deutlich vernehmbares Geräusch an sein Ohr, das wie Schwanzwedeln klang. Trotzdem nun der Philosoph dies Benehmen Seiner Majestät höchst unschicklich fand, so gab er sich doch den Anschein, als achte er nicht darauf, gab nur dem Hund einen Fußstoß und befahl ihm, sich ruhig zu verhalten.
    »Ich habe gefunden, dass Horaz und Aristoteles sich im Geschmack ziemlich ähnlich waren; – Sie wissen, ich liebe Abwechslung. Terenz und Menander konnte ich kaum unterscheiden. Naso entpuppte sich zu meiner Verwunderung als ein anders zubereiteter Nicander. Virgil hatte einen starken Beigeschmack nach Theokrit. Martial erinnerte mich lebhaft an Archilochus, Titus Livius war ganz und gar derselbe wie Polybius.«
    »Hup!«, antwortete Bon-Bon, und Seine Majestät fuhr fort:
    »Doch meine ganze Neigung, soweit ich überhaupt eine besitze, gehört den Philosophen, aber, Herr Bon-Bon – das eine ist zu beachten: Nicht jeder Teuf – – will sagen nicht jeder Mann ist imstande, einen Philosophen richtig auszuwählen. Die Langen taugen nichts; und die Besten werden durch die Einwirkung der Galle etwas ranzig, wenn sie nicht sorgsam ausgeschält werden.«
    »Ausgeschält?«
    »Ich meine damit natürlich, aus dem Leichnam herausgenommen.«
    »Was ist Ihre Ansicht über die – hup! – Ärzte?«
    »Erwähnen Sie die nicht! – Brr!« – (Hier würgte der Ekel Seine Majestät heftig.) »Ich habe nur ein einziges Mal einen gekostet – diesen elenden Hippokrates! – Er roch nach asa foetida – brr! Brr! Brr! – ich erwischte einen scheußlichen Schnupfen, als ich ihn im Styx abwusch, und nachher hing er mir die Cholera an.«
    »Dieser – hup! – Lump!«, stieß Bon-Bon hervor, »diese – hup! – Missgeburt einer Pillenschachtel!« – und der Philosoph vergoss eine Träne.
    »Schließlich«, fuhr der Besucher fort, »schließlich, wenn ein Teuf… wenn ein Mann leben will, muss er mehr als ein oder zwei Talente haben; und bei uns gilt ein fettes Gesicht als Zeichen diplomatischer Veranlagung.«
    »Wieso?«
    »Es geht uns manchmal äußerst schlecht mit der Ernährung. Du musst wissen, dass in einem so drückend heißen Klima, wie das meine ist, oft keine Möglichkeit besteht, einen Geist länger als zwei bis drei Stunden am Leben zu erhalten; nach dem Tod aber – riechen sie – du verstehst doch, nicht? – wenigstens wenn sie nicht augenblicklich eingepökelt werden (und ein gepökelter Geist schmeckt nicht gut). Es besteht

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