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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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der undankbaren Menschheit im Allgemeinen und meines Vaterlandes im Besonderen nicht verheimlichen kann. Immerhin verlor ich keine Zeit und besuchte den Herausgeber des »Honigsüßen«. Ich hatte das Glück, den Herrn zu Hause zu treffen. Er begrüßte mich mit allen Zeichen großen Respekts, der eine kleine Beimischung von väterlicher und gönnerhafter Bewunderung zeigte. Offenbar kam dieser kleine Beischmack vom außerordentlich Jugendlichen und Unerfahrenen meiner Erscheinung. Er bot mir einen Sitz an und begann sogleich, von meinem Gedicht zu sprechen. Meine Bescheidenheit erlaubt mir nicht, die tausend Komplimente zu wiederholen, die er in verschwenderischer Fülle über mich ausstreute. Die Lobsprüche des Herrn Sauertopf (so hieß der Redakteur) waren jedoch keineswegs unkritisch oder übermäßig. Er analysierte meine Schöpfung mit viel Freimut und großer Geschicklichkeit und stand nicht an, einige kleinere Fehler zu erwähnen, was ihn hoch in meiner Achtung steigen ließ. Die »Bremse« wurde selbstverständlich auch aufs Tapet gebracht, und ich hoffe, niemals solch durchdringender Kritik, solch vernichtendem Tadel ausgesetzt zu werden, wie sie Herr Sauertopf über das unglückselige Machwerk des Redakteurs der »Bremse« ausgoss. Früher hatte ich diesen Redakteur als ein übermenschliches Wesen betrachtet; aber Herr Sauertopf belehrte mich bald eines Besseren. Er setzte den literarischen und den persönlichen Charakter der »Klapper« (wie er höhnisch seinen Gegenpart nannte) ins rechte Licht. An dieser Klapper war wirklich wenig zu loben. Er hatte niederträchtige Sachen geschrieben. Er war ein Zeilenfuchser, ein Hansnarr, ein Schurke. Er hatte eine Tragödie geschrieben, über die das ganze Land in Gelächter ausbrach, und eine Farce, die das Weltall in Tränen versenkte. Neben diesen schlimmen Taten hatte er noch die Unverschämtheit gehabt, ein Zeug niederzuschreiben, das er als Schmähschrift auf ihn (Herrn Sauertopf) verfasst hatte, und die Frechheit, ihn einen Esel zu nennen! Wenn ich die Absicht hätte, in den Spalten des »Honigsüßen« die Klapper anzugreifen, so, versicherte mir Herr Sauertopf, würde er zu meiner unbeschränkten Verfügung stehen. Inzwischen sei es aber ziemlich sicher, dass die Klapper mich wegen meines Versuches, mit seinem Gedicht über das »Bobsche Öl« zu rivalisieren, angreifen würde. Dann würde er (Herr Sauertopf) es auf sich nehmen, in äußerst energischer Weise meine privaten und persönlichen Interessen zu verteidigen. Wenn ich jetzt also nicht auf einen Schlag ein gemachter Mann werde, so läge das gewiss nicht an ihm, Herrn Sauertopf.
    Da nun Herr Sauertopf eine kurze Pause in seiner Rede (deren letzten Teil ich beim besten Willen nicht verstehen konnte) machte, so wagte ich es, etwas von dem Honorar zu erwähnen, das ich für mein Gedicht erwartete, da ich auf dem Umschlag des »Honigsüßen« eine Notiz bemerkt hatte, die verkündigte, dass der »Honigsüße« »seinen Ehrgeiz« darin sehe, exorbitante Honorare für alle angenommenen Beiträge zu bezahlen, dass er oft mehr Geld für ein einziges kurzes Gedicht ausgebe, als die jährlichen Auslagen von der »Brummtrommel«, dem »Radau« und der »Blechschmiede« zusammen betrügen.
    Kaum aber war das Wort »Honorar« meinen Lippen entflohen, als Herr Sauertopf zuerst seine Augen weit aufriss und dann seinen Mund zu ungeheurer Weite aufsperrte, so dass der Eindruck, den er bot, ganz dem glich, den eine aufgeregte alte Ente in dem Moment auf uns macht, wo sie im Begriff ist, zu quaken. Und in diesem Zustand blieb er. Hier und da presste er seine Hände krampfhaft an seine Stirn, als wenn er sich in einem Zustand verzweifelter Verwirrung befände, und so also blieb er, bis ich mit dem, was ich zu sagen hatte, so ziemlich zu Ende war.
    Als ich aufhörte, zu sprechen, sank er in seinen Stuhl mit einer Gebärde zurück, als sei er tief erschüttert; schlaff ließ er die Arme zu beiden Seiten sinken und vergaß seinen noch immer offenen Mund zu schließen, als wäre er wirklich eine Ente. Während ich nun so in sprachlosem Erstaunen vor ihm stand und mir sein Besorgnis erregendes Benehmen nicht zu deuten wusste, sprang er plötzlich auf und rannte nach dem Klingelzug. Im Moment, wo er ihn erreichte, schien er seine Absicht zu ändern (welche, weiß ich nicht), denn er tauchte unter den Tisch und erschien in unglaublich kurzer Zeit mit einem Knüttel. Gerade erhob er ihn (zu welchem Zweck, kann ich mir nicht

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