Gesammelte Werke
vorstellen), als sich plötzlich ein mildes Lächeln über seine Züge verbreitete und er friedlich wieder in seinen Stuhl zurücksank.
»Herr Bob«, sagte er (denn ich hatte ihm meine Visitenkarte hinaufgeschickt, eh’ ich selbst eintrat), »teuerster Herr Bob, Sie sind ein junger Mann – ich vermute, sehr jugendlich?«
Ich gab das zu und fügte bei, dass ich vorläufig noch nicht drei Lustren vollendet habe.
»Ah, ja!«, äußerte er, »ganz gewiss! Die Sache ist mir jetzt klar; Sie brauchen weiter nichts zu sagen! Was nun die Honorarfrage betrifft, so muss ich zugestehen, dass, was Sie da sagten, wohl sehr richtig ist, sogar äußerst richtig. Aber – hm – hm – der erste Beitrag, wissen Sie, der erste Beitrag, muss ich Ihnen sagen, wird gewohnheitsmäßig von der Zeitung nicht bezahlt. Sie begreifen – hm, um ganz die Wahrheit zu sagen – gewöhnlich sind wir noch die Empfangenden in solchen Fällen.« (Herr Sauertopf lächelte süßlich und betonte ganz besonders das Wort »Empfangenden«). »Im Durchschnitt werden wir für die Aufnahme eines Jungfernbeitrags bezahlt, besonders wenn es sich um Verse handelt. Und dann, Mr. Bob, ist es Prinzip bei den Zeitschriften, niemals en argent comptant (wie man in Frankreich sagt) – also sozusagen niemals bar zu bezahlen. Sie verstehen sicher, nicht wahr? Ein Vierteljahr, manchmal auch zwei nach der Veröffentlichung eines Artikels, oder ein Jahr oder zwei Jahre später haben wir nichts dagegen, ein Akzept auf neun Monate auszustellen, vorausgesetzt natürlich, dass wir unsere geschäftlichen Verpflichtungen so ordnen können, dass eine Pleite für die nächsten sechs Monate ausgeschlossen erscheint. Ich hoffe von Herzen, Herr Bob, dass Sie diese Erklärung als ausreichend betrachten werden.« Jetzt schwieg Herr Sauertopf und seine Augen füllten sich mit Tränen.
Tief betrübt, die allerdings unschuldige Ursache der Schmerzen dieses so hervorragenden und gefühlvollen Mannes zu sein, beeilte ich mich, ihn um Entschuldigung zu bitten und ihn durch die Versicherung zu beruhigen, dass ich seinen Ansichten völlig beistimme und die Schwierigkeit seiner Stellung vollkommen einsähe. Ich tat dies in gewählten Worten und verabschiedete mich.
Eines schönen Morgens, nicht lange nach dieser Unterredung, wachte ich auf – und war berühmt. Die Größe des Ruhmes kann am besten nach den empfehlenden Äußerungen in den Tagesblättern bemessen werden. Diese Äußerungen waren in den kritischen Notizen über die Nummer des »Honigsüßen« enthalten, in der mein Gedicht erschienen war. Sie sind sehr befriedigend, erschöpfend und klar, mit Ausnahme der hieroglyphenähnlichen Zeichen »Sept. 15–1 t« am Ende jeder Notiz.
Die »Eule«, eine Zeitschrift voll tiefer Weisheit und wegen des überlegenen Tones ihrer literarischen Urteile allbekannt, die »Eule« schrieb wie folgt:
»›Der Honigsüße‹! Die Oktobernummer dieser vorzüglichen Zeitschrift überragt ihre Vorgänger und schlägt jede Konkurrenz aus dem Feld. Durch die Schönheit des Druckes und des Papiers, die Menge und Vorzüglichkeit der Reproduktionen, den literarischen Wert der Beiträge erscheint der ›Honigsüße‹ neben seinen schwer dahinschreitenden Rivalen wie Hyperion neben einem Satyr. Der ›Brummtrommel‹, dem ›Radau‹ und der ›Blechschmiede‹ muss man allerdings den Vorrang in der Prahlerei zugestehen, allein in jeder anderen Hinsicht ist ihnen der ›Honigsüße‹ überlegen! Wie die berühmte Zeitschrift ihre offensichtlich horrenden Spesen zu decken vermag, geht über unsere Begriffe. Allerdings erscheint sie in einer Auflage von 100 000 Exemplaren, und ihre Abonnentenzahl ist im letzten Monat noch um ein Viertel gestiegen, aber andererseits ist die Summe, die sie fortlaufend für Beiträge aufzubringen hat, eine ungeheure. Es wird behauptet, dass Herr Schlauesel nicht weniger als 37 ½ Pfennig für seinen unnachahmlichen Beitrag über ›Schweine‹ erhielt. Mit Herrn Sauertopf als Redakteur und solchen Namen wie Snob und Schlauesel als Mitarbeiter ist der Erfolg des ›Honigsüßen‹ als gesichert zu betrachten. Eilen Sie! Abonnieren Sie! Sept. 15–1 t«
Ich muss gestehen, dass ich mich von solch hochtönender Kritik vonseiten eines solchen Blattes wie der »Eule« sehr gehoben fühlte. Dass mein Name, d. h. mein ›nom de guerre‹ dem des großen Schlauesel vorangestellt war, war ein Kompliment, das mich an und für sich ebenso erfreute wie das Gefühl, es verdient zu
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