Gesammelte Werke
vielleicht war es, der ihn zu der Ansicht führte, das vorteilhafteste, wenn nicht das einzig rechtmäßige Feld für angewandte Poesie biete die Schöpfung neuer Formen von natürlicher, rein physischer Schönheit. So kam es, dass er weder Musiker noch Dichter wurde – wenn wir die letztere Bezeichnung in ihrer gewöhnlichen Bedeutung fassen. Es mag aber auch sein, dass er beides nicht werden wollte – lediglich in Verfolgung seiner Idee, dass die Verachtung jeglichen Ehrgeizes eine der wesentlichen Wurzeln des irdischen Glücks sei. Ist es nicht tatsächlich möglich, dass, während ein großes Genie naturgemäß ehrgeizig ist, noch ein größeres über dem steht, was wir Ehrgeiz nennen? Kann es nicht sein, dass viele, die weit größer sind als Milton, sich begnügt haben, »stumm und unberühmt« zu bleiben? Ich glaube, die Welt hat auf dem Gebiet der Kunst die ganze erschöpfende Fülle prachtvoller Leistungen, deren die menschliche Natur unbedingt fähig ist, nie gesehen und wird sie nie sehen – es sei denn, dass allerlei Zufälle einmal eines jener größeren Genies, entgegen seiner eigenen Anschauung, zu Taten veranlassen.
Ellison wurde weder Musiker noch Dichter, obgleich man Musik und Poesie nicht inniger lieben konnte als er. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er unter anderen Lebensbedingungen Maler geworden wäre. Die Bildhauerkunst war trotz ihres stark poetischen Gehalts zu begrenzt in Form und Wirkung, um jemals seine Aufmerksamkeit lange fesseln zu können. Und ich habe nun alle Gebiete aufgezählt, in denen nach allgemeinen Begriffen die poetische Empfindung sich ausbreiten kann. Ellison aber behauptete, das reichste und echteste, das natürlichste und wohl auch umfassendste Gebiet sei unverantwortlicherweise übersehen worden. Kein Deuter habe je den Landschaftsgärtner als Künstler erwähnt; dennoch, so meinte mein Freund, biete der Landschaftsgarten der wahren Muse die edelsten Möglichkeiten. Hier sei wirklich das schönste Feld zur Entfaltung der Phantasie in immer neuer Gestaltung neuer Schönheitsformen, da die zur Zusammenstellung vorhandenen Elemente bei weitem die herrlichsten seien, die die Erde zu bieten habe. In den zahllosen Formen und Farben der Blumen und Bäume erkannte er den ausgesprochensten und kraftvollsten Drang der Natur nach körperlicher Schönheit. Und in der Anordnung oder Vereinigung dieser Bemühungen – oder richtiger, in ihrer Anpassung an die Augen, die sie auf Erden würdigen sollten – glaubte er auf die beste Art und mit den erfolgreichsten Leistungen der Erfüllung nahezukommen, nicht nur seiner eigenen Bestimmung als Künstler, sondern auch den erhabenen Zielen, um derentwillen die Gottheit dem Menschen das künstlerische Empfinden eingeimpft habe.
»Ihre Anpassung an die Augen, die sie auf Erden würdigen sollten …« In seiner Erläuterung dieses Ausdrucks trug Mr. Ellison viel zur Lösung dessen bei, was mir immer als Rätsel erschienen war – ich meine die (nur von Unwissenden bestrittene) Tatsache, dass es in der Natur keine solchen Szenerien gibt, wie der geniale Maler sie zu schaffen weiß. Keine solchen Paradiese sind in der Wirklichkeit zu finden, wie sie auf der Leinwand Claudes erglühen. In den bezauberndsten natürlichen Landschaften wird stets ein Mangel oder ein Unmaß zu finden sein – viele Mängel und viele Unmäßigkeiten. Während die gegebenen Bestandteile im Einzelnen das größte Können des Künstlers übertreffen mögen, so wird die Anordnung dieser Teile stets noch der Vervollkommnung bedürftig sein. Kurz, in der ganzen weiten natürlichen Landschaft auf Erden gibt es keinen Betrachtungspunkt, von dem aus ein Künstlerauge bei längerem Zusehen nicht einen Verstoß gegen das fände, was man die »Komposition« der Landschaft nennt. Und wie unbegreiflich ist das doch! In allen anderen Dingen sind wir richtig belehrt, die Natur als überlegen anzusehen. Wir scheuen den Wettbewerb mit ihren Einzelschöpfungen. Wer wollte es fertigbringen, die Farben der Tulpe wiederzugeben oder die Gestalt des Maiglöckchens zu verbessern? Die Kritik, die von der Bildhauerei oder der Porträtkunst sagt, dass hier die Natur nicht nur erreicht, sondern übertroffen oder idealisiert sei, befindet sich im Irrtum. Kein malerisches noch bildhauerisches Zusammenwirken von Einzelheiten menschlicher Schönheit kann mehr, als der lebendigen, atmenden Schönheit nahekommen. Nur in der Landschaft ist jener Standpunkt des Kritikers im Recht, und da er seine
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