Gesammelte Werke
Wahrheit hier empfand, so ist es nur die unüberlegte Vorliebe zur Verallgemeinerung, die ihn dahin führte, ihn auf allen Gebieten der Kunst als richtig aufzustellen. Ich sage: »seine Wahrheit hier empfand«; denn die Empfindung ist keine Einbildung, keine Schimäre. Die Mathematiker liefern keine exakteren Beweise, als sie dem Künstler in seiner Kunst das Gefühl bietet. Er glaubt nicht nur, sondern er weiß positiv, dass die und die scheinbar willkürliche Anordnung der Dinge die wahre Schönheit ausmacht – sie ganz allein ausmacht. Seine Gründe aber sind noch nicht zum Ausdruck gereift. Es bleibt einer gründlicheren Analyse, als die Welt sie bisher gesehen hat, überlassen, diese Gründe voll zu erforschen und darzutun. Dessen ungeachtet wird er in seiner instinktiven Ansicht durch die Stimme aller seiner Brüder unterstützt.
Nehmen wir an, eine »Komposition« sei mangelhaft, sie solle lediglich in ihrer Zusammensetzung umgearbeitet werden; nun möge man die Frage nach der Notwendigkeit dieser Umarbeitung jedem Künstler, den es nur gibt, vorlegen, von jedem wird die Notwendigkeit zugegeben werden. Und sogar weit mehr als das: Zur Behebung der fehlerhaften Komposition würde jedes einzelne Glied dieser Bruderschaft die nämliche Änderung vorgeschlagen haben.
Ich wiederhole, dass nur bei Landschaftsbildern die Schönheit der Natur eine Steigerung zulässt und dass daher die Fähigkeit zu ihrer Vervollkommnung in gerade diesem einen Punkt ein Geheimnis war, das ich nicht zu lösen wusste. Meine eigenen Anschauungen über den Gegenstand gingen dahin, die Natur habe in ihrer ursprünglichen Absicht die Erde so gebildet, dass sie in allen Punkten der menschlichen Auffassung von vollendeter Schönheit oder Erhabenheit entsprach; aber diese ursprüngliche Absicht sei durch die bekannten geologischen Störungen vernichtet worden – Störungen in Form und Farbengruppierung, in deren Verbesserung oder Abschwächung die Seele der Kunst beruht. Die Kraft dieses Gedankens wurde jedoch sehr abgeschwächt durch die in ihm verborgene Notwendigkeit, die Störungen als anormal und durchaus unzweckmäßig zu betrachten. Ellison war es, der die Vermutung aussprach, sie seien ein Anzeichen des Todes. Er erklärte das so: »Angenommen, die ursprüngliche Absicht sei die irdische Unsterblichkeit des Menschen gewesen. Dann finden wir die ursprüngliche Bildung der Erde seinem seligen Zustand angepasst – zwar nicht bestehend, aber beabsichtigt. Die Umwälzungen waren die Vorbereitungen für seine später beschlossene Bestimmung zum Tode.
Nun könnte aber«, sagte mein Freund, »das, was wir als Steigerung der landschaftlichen Schönheit empfinden, eine lediglich menschliche Anschauungsweise sein. Jede Veränderung der natürlichen Szenerie würde das Bild vielleicht verunstalten, wenn wir es uns von weitem – als große Masse gesehen – denken, von einem der Erdoberfläche fernen Punkt, wenngleich nicht hinter den Grenzen ihrer Atmosphäre. Es ist leicht begreiflich, dass das, was einem nah besehenen Detail zum Vorteil gereichen mag, gleichzeitig eine allgemeine oder auf größere Entfernung berechnete Wirkung beeinträchtigen kann. Es
könnte
doch eine Art vordem menschlicher, nun aber der Menschheit unsichtbarer Wesen geben, denen aus der Ferne unsere Wirrnis als Ordnung erscheint – unser Unmalerisches als malerisch; mit einem Wort, ich meine die Erdengel, für deren Betrachtung mehr als für unsere und für deren durch den Tod veredelte Bewertung des Schönen die weiten Landschaftsgärten der Hemisphären von Gott aufgestellt worden sein mögen.«
Im Laufe des Gesprächs führte mein Freund einige Zitate eines Beurteilers der Landschaftsgärtnerei an, der, wie man sagt, sein Thema gut behandelt haben soll:
›Es gibt eigentlich nur zwei Richtungen in der Landschaftsgärtnerei, die natürliche und die künstliche. Man versucht die ursprüngliche Schönheit der Landschaft wiederherzustellen, indem man ihre eigenen Mittel auf die Umgebung anwendet: Bäume anpflanzt, die sich den benachbarten Hügeln oder Flächen harmonisch anpassen; jenen reizvollen Einklang von Größe, Form und Farbe entdeckt und anwendet, der, dem gewöhnlichen Beschauer verborgen, sich erfahrenen Naturbeobachtern überall enthüllt. Das Resultat der natürlichen Richtung in der Gärtnerei zeigt sich mehr in der Vermeidung aller Mängel und Missverhältnisse – in der Pflege einer gesunden Harmonie und Ordnung – als im Hervorbringen von
Weitere Kostenlose Bücher