Gesammelte Werke
außerordentliche Heftigkeit der Explosion, soweit ich selbst darunter zu leiden hatte, dem wahren Grund, nämlich dem Umstand zuzuschreiben, dass ich mich genau senkrecht über der Sprengstelle befand, also in der Linie der stärksten Wirkung. Damals aber dachte ich an nichts anderes als an die Rettung meines Lebens. Der Ballon klappte zuerst zusammen, dehnte sich dann gewaltig aus, wirbelte mit sinnverwirrender Schnelligkeit im Kreise herum und schwankte und taumelte derart, dass ich über den Rand der Gondel geschleudert wurde, wobei ich an einem Seilende von etwa drei Fuß Länge, das zufällig durch ein Loch im Weidenkorb heraushing und in dessen Schlinge mein rechter Fuß sich beim Sturz glücklicherweise verwickelte, in erschreckender Höhe mit dem Kopf nach unten hängen blieb. Es ist unmöglich – vollständig unmöglich –, eine auch nur annähernde Vorstellung von meiner grauenvollen Lage zu geben. Ich rang krampfhaft nach Atem – ein Schauer wie von Fieberfrost durchrann jeden Nerv und Muskel – ich fühlte, wie mir die Augen aus den Höhlen traten – fürchterliche Übelkeit erfasste mich – und schließlich verlor ich in einer Ohnmacht alle Besinnung.
Wie lange ich in diesem Zustand blieb, ist unmöglich zu sagen. Es muss jedoch beträchtlich lange gewesen sein, denn als ich allmählich wieder etwas zur Besinnung kam, war es bereits hell, der Ballon schwebte in gewaltiger Höhe über einer Meereswüste, und weit und breit bis an den fernen Horizont ließ sich nicht eine Spur von Land sehen. Ich empfand aber bei dieser Entdeckung durchaus nicht das Entsetzen, das man erwarten sollte. Ja, die ruhigen Betrachtungen, die ich über meine Lage anzustellen begann, hatten etwas von Irrsinn. Ich hob meine Hände, eine nach der anderen, nahe an die Augen und fragte mich verwundert, woher das kommen könne, dass die Adern so geschwollen und die Fingernägel so schwarz waren. Ich untersuchte gründlich meinen Kopf, indem ich ihn wiederholt schüttelte und eingehend abtastete, und ich kam zu der befriedigenden Überzeugung, dass er nicht, wie ich beinahe angenommen hatte, größer als mein Ballon war. Dann griff ich nach alter Gewohnheit in meine Hosentaschen, und als ich darin mein kleines Notizbuch und das Zahnstocherdöschen vermisste, versuchte ich, eine Erklärung für ihr Verschwinden zu finden, und fühlte mich unsäglich bekümmert, als mir das nicht gelingen wollte. Jetzt geschah es, dass ich in meinem rechten Fußgelenk ein großes Unbehagen spürte, und ein schwaches Bewusstsein meiner Lage dämmerte in mir auf. Doch, sonderbar! Ich war weder erstaunt noch entsetzt. Wenn ich überhaupt eine Gemütsregung empfand, war es nur eine kichernde Befriedigung über die Geschicklichkeit, die ich nunmehr entfalten würde, um mich aus der Schwierigkeit zu befreien, und nicht einen Augenblick zog ich in Zweifel, dass ich mich schließlich in Sicherheit bringen könne.
Einige Minuten verharrte ich in tiefem Sinnen. Ich erinnere mich deutlich, dass ich verschiedentlich die Lippen aufeinanderpresste, den Zeigefinger an die Nase legte und sonstige Gebärden und Grimassen machte, wie das Leute tun, die, behaglich im Armstuhl liegend, über verwickelte oder wichtige Dinge nachdenken. Als ich, wie ich vermeinte, meine Gedanken genügend gesammelt hatte, brachte ich mit großer Vorsicht und Bedachtsamkeit die Hände auf den Rücken und machte die große Stahlschnalle los, die zu dem Gurtband meiner Hosen gehörte. Diese Schnalle hatte drei Zähne, die sich, da sie etwas rostig waren, nur schwer im Scharnier bewegen ließen. Mit einiger Mühe brachte ich sie in einen rechten Winkel zur Schnalle und war froh, dass sie in dieser Stellung verblieben. Das so erhaltene Instrument mit den Zähnen haltend, begann ich nun meine Halsschleife aufzubinden. Ich musste öfters ausruhen, ehe ich damit fertig werden konnte; endlich aber war es gelungen. Am einen Ende der Halsbinde befestigte ich nun die Schnalle, und das andere Ende band ich, der größeren Sicherheit wegen, um mein Handgelenk. Indem ich nun mit ungeheurer Muskelkraft meinen Körper nach oben schnellte, gelang es mir beim allerersten Versuch, die Schnalle gegen die Gondel zu schleudern, wo sie sich, wie ich erwartet hatte, in den Rand des Weidenkorbgeflechts einhakte.
Mein Körper neigte sich nun seitwärts zur Gondel in einem Winkel von fünfundvierzig Grad; man darf aber nicht annehmen, dass ich mich darum nur fünfundvierzig Grad unter der Senkrechten befunden
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