Gesammelte Werke
Wir wollen das Feld räumen, denn unsere empfindlichen modernen Ohren sind außerstande, das lärmende Tosen zu ertragen, das sogleich die Jubelfeier der Königsbefreiung einleiten wird! Horch! Schon beginnt der Lärm. Sehen Sie, die ganze Stadt ist drüber und drunter.«
»Epidaphne scheint wahrlich die volksreichste Stadt des Ostens zu sein! Welch ein Menschengewimmel! Welch ein Wirrwarr von allen Ständen und Altersklassen! Welche unzähligen Völker und Sekten! Welche Verschiedenheit in den Trachten! Was für ein babylonisches Sprachgewirr! Und dies Tiergebrüll! Dies Durcheinanderklingen von Instrumenten! Welch ein Haufen von Philosophen!«
»Nun aber fort!«
»Noch einen kurzen Augenblick! Ich höre dort im Hippodrom wilden Lärm, was kann denn dies schon wieder bedeuten?«
»Nichts Besonderes! Die edlen und freien Bürger Epidaphnes, die, wie sie behaupten, so sehr mit der Treue, dem Mut, der Weisheit, der Göttlichkeit ihres Königs zufrieden sind und überdies soeben Augenzeugen seiner übermenschlichen Behändigkeit waren, halten es für ihre Pflicht, zum Mindesten die königliche Stirn des Herrschers neben der Dichterkrone auch noch mit dem Siegeskranz, dem Preis im Wettlauf, zu schmücken. Diese Auszeichnung muss ihm ja doch bei den nächsten olympischen Spielen zufallen, und so wird sie ihm schon heute in sicherer Voraussicht zukünftigen Sieges überreicht.«
* Flavius Vopiscus überliefert, dass die hier angeführte Hymne von der Menge dem Aurelian bei Gelegenheit des sarmatischen Krieges gesungen wurde, als er eigenhändig 950 Feinde erschlug.
Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym
Vorwort des Erzählers
Als ich nach einer Reihe außerordentlicher Erlebnisse und Abenteuer in der Südsee und anderswo, von denen auf den folgenden Seiten die Rede sein soll, vor einigen Monaten nach den Vereinigten Staaten zurückgekehrt war, kam ich durch Zufall in die Gesellschaft mehrerer Herren aus Richmond in Virginien; sie zeigten für alles, was die von mir besuchten Gegenden anbetraf, ein lebhaftes Interesse und drangen beständig in mich, ich möchte doch meinen Bericht der Öffentlichkeit übergeben, es sei das nichts Geringeres als meine Pflicht. Doch hatte ich mehrere Gründe, dies abzulehnen; einige davon sind persönlicher Natur und gehen niemand etwas an; bei anderen ist das nicht so sehr der Fall. Einmal hielt mich der Umstand ab, dass ich während eines großen Teiles meiner Abwesenheit kein Tagebuch geführt habe und daher in Sorge war, ich könnte aus der bloßen Erinnerung keinen so genauen und zusammenhängenden Bericht aufsetzen, dass der Eindruck des Tatsächlichen dabei gewahrt bliebe, abgesehen von der natürlichen und unvermeidlichen Übertreibung, in die wir alle leicht verfallen, wenn von Begebnissen die Rede ist, deren Einfluss auf die Einbildungskraft tief und bedeutend war. Ein zweiter Grund: Die Ereignisse, von denen ich reden sollte, waren von so ausgesprochen wunderbarer Art, dass sie ohne ein anderes Zeugnis als das des einzigen Gefährten, der mit mir zurückkam, eines armen indianischen Mischlings, auf keinen Glauben außerhalb meiner Familie und meines Freundeskreises rechnen konnten – sie freilich kennen meine peinliche Wahrheitsliebe –, so dass die breitere Öffentlichkeit meine Erzählungen nur als unverschämte und schlaue Erfindungen betrachten würde. Das stärkste Motiv war aber gewiss, dass ich Ursache hatte, meinen schriftstellerischen Fähigkeiten gar sehr zu misstrauen.
Unter den virginischen Herren, die sich für meinen Reisebericht und ganz besonders für den Teil, der von der Antarktis handelt, am lebhaftesten interessierten, befand sich Herr Poe, vor Kurzem Herausgeber des »Literarischen Boten des Südens«, einer Monatsschrift, die Herr Thomas W. White in der Stadt Richmond erscheinen lässt. Er riet mir aufs Dringendste, augenblicklich eine ausführliche Beschreibung dessen, was ich geschaut und erlebt hatte, ins Werk zu setzen und der Gescheitheit und dem gesunden Verstand des Publikums zu vertrauen, indem er sehr richtig betonte, dass gerade die literarische Unzulänglichkeit meines Buches (falls man überhaupt von einer solchen reden könnte) ein Beweis mehr für meine Wahrhaftigkeit sein müsste.
Trotzdem konnte ich mich nicht recht dazu entschließen, seinen Rat auszuführen. Da er nun sah, dass ich mich noch immer nicht rührte, schlug er mir vor, ich möchte ihm erlauben, in seinen eigenen Worten auf Grund meiner Mitteilungen den ersten
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